Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

988 Zweiter Teil. Viertes Buch. $ 229. 
2. Die in der Bundesakte und den auf derselben beruhenden 
Landesgesetzen eingeräumten Vorrechte stehen allen denjenigen 
Häusern zu, welche im Deutschen Reiche Reichsstandschaft 
besaßen. Der Umstand, daß das Territorium schon vor Unter- 
gang des Reiches der Landeshoheit eines anderen Reichsstandes 
unterworfen war, bleibt ohne Einfluß, wenn nur die Familie ihre 
Reichsstandschaft bewahrt hatte”. Dagegen können weder die 
reichsständischen Personalisten, welche nur vorläufig unter Vor- 
behalt der nötigen „Realqualifikation“ zum Reichstage zugelassen 
waren, noch diejenigen Familien, welche nur wegen eines Reichs- 
amtes Sitz im Reichstage hatten, die von der Bundesakte den 
Standesherren zugesicherten Vorrechte. für sich in Anspruch 
nehmen ®, 
3. Durch die Auflösung des deutschen Bundes im 
Jahre 1866 sind nur diejenigen in den Bundesgrundgesetzen ent- 
haltenen Rechtssätze weggefallen, welche sich auf den Bund selbst 
und dessen Organisation bezogen, die Vorschriften über die Rechts- 
stellung der Standesherren also bestehen geblieben. Sie haben aber 
den Charakter als Bundesrecht, d. h. als höhere über den 
Landesgesetzen stehende Normen verloren. Es kann deshalb ihre 
Aufhebung auf dem Wege der Landesgesetzgebung? erfolgen. 
? Dies ist der Fall bei den Häusern Stolberg, Schönburg, Fugger 
und Giech. Die Reichsstandschaft der Grafen von Stolberg ruhte nicht 
nur auf ihren rheinischen Besitzungen, sondern auch auf den der branden- 
burgischen, kursächsischen und braunschweig-lüneburgischen Landeshoheit 
unterworfenen Grafschaften Stolberg, Wernigerode und Hohenstein (H. A. 
Zachariä, Rechtsgutachten, die staatsrechtlichen Verhältnisse des gräflichen 
Hauses und der Grafschaft Stolberg-Wernigerode zur preußischen Krone 
betr., Göttingen 1862). Bei Erlaß des preußischen G. vom 10. Juni 1854 be- 
stand eine völlige Übereinstimmung der gesetzgebenden Faktoren darüber, 
daß dasselbe auf die gräflich Stolbergischen Häuser Anwendung finden sollte 
(v. Roenne, Prenßisches Staatsrecht 2 8 152 S. 291 ff.; H. Schulze, Preußisches 
Staatsrecht $ 124), Die Rechtsstellung des Hauses Schönburg im König- 
reich Sachsen ist durch eine Reihe von Rezessen geordnet (Leuthold, Sächsi- 
sches Staatsrecht, in Marquardsens Handbuch 189 N. 5). 
8 Zu den letzteren gehören die Grafen von Pappenheim, deren Haupt 
als Reichserbmarschall zu cinem Sitz im Fürstenrate, aber nicht zu einer 
Stimme berechtigt war. Denselben sind jedoch in Bayern durch mehrere 
königliche Erlasse die Rechte der Standesherren und das Prädikat „Erlaucht“ 
beigelegt und es ist eine entsprechende Anmeldung beim Bundestage ge- 
macht worden, — Den hohen Adel der Familie Bentinck hat der Bundes- 
tag durch B. vom 12. Juni 1345 anerkannt, obgleich dieselbe die ihr vom 
Kaiser\verliehene Reichsstandschaft niemals ausgeübt hat, ebenso den hohen 
Adel verschiedener reichsständischer Personalisten, z. B. der Grafen von 
Schlitz, genannt Goerz, der Grafen von Platen-Hallermund, der 
Grafen von Neipperg: 
® And. Ansicht: H. A. Zachariä in der N. 1 angeführten Denkschrift 
8.82 ff., dem sich im wesentlichen H. Schulze, Lehrb. des deutschen Staats- 
rechts 1 401 ff. und Heyer a. a. 0.90 ff, angeschlossen haben, unter Berufung 
darauf, daß die Bestimmungen der Bundesakte den Charakter von vertrags- 
mäßigen yerpflichtungen ätten, also ohne Zustimmung der Beteiligten, 
nämlich der Standesherren, nicht aufgehoben werden könnten. Aber die 
bei dem Vertrage Beteiligten sind nicht die Standesherren, sondern die
	        
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