Die Zeit des alten deutschen Reiches. $ 26. 89
als oberstes, dem Reichskammergericht gleichstehendes Reichs-
gericht anerkannt®,
Vom Reichskammergericht unterschied sich der Reichshof-
rat namentlich dadurch, daß er, während jenes ein Reichsgericht
war, an welchem Kaiser und Stände sich gleichmäßig beteiligten,
mehr den Charakter eines persönlichen Gerichtes des Kaisers be-
wahrte. Der Kaiser galt als des Reichshofrates oberstes Haupt
und Richter®. Deshalb erfolgte mit dem Tode jedes Kaisers die
formelle Auflösung des Reichshofrates und während der Dauer des
Reichsvikariats mußte für jeden Sprengel ein besonderes Reichs-
vikariatshofgericht eingerichtet werden. Der Präsident des Reichs-
hofrates sollte ein Reichsfürst, Graf oder Freiherr sein. Die Zahl
der Räte betrug einschließlich des Präsidenten, aber ausschließlich
des Reichsvizekanzlers, welcher ebenfalls Sitz und Stimme im
Reichshofrate hatte, 18. Sie wurden sämtlich vom Kaiser ernannt.
teils dem Adel, teils dem Gelehrtenstande entnommen, und 6 von
ihnen mußten Protestanten sein’. Der Grundsatz, daß bei Streitig-
keiten zwischen Reichsunmittelbaren, welche verschiedenen Kon-
fessionen angehörten, eine gleiche Anzahl von katholischen und
protestantischen Beisitzern zugezogen werden sollte, und dasInstitut
der itio in partes bestand für den Reichshofrat ebenso wie für
das Reichskammergericht®.
Der Reichshofrat war gleichzeitig Regierungskollegium
und Gerichtshof. Als letzterer hatte er mit dem Reichskammer-
gericht konkurrierende Jurisdiktion, so daß zwischen beiden
Prävention entschied®, Doch gab es einzelne Angelegenheiten,
welche herkömmlicherweise stets beim Reichshofrat behandelt
wurden; dahin gehörten namentlich italienische Sachen, Streitig-
keiten über Reichslehen und Strafsachen der Reichsunmittelbaren.
Ein beim Reichshofrat ausgebildetes eigentümliches Institut,
welches sich aus der Anknüpfung der Behörde an die persönliche
Jurisdiktion des Kaisers erklärt, ist das sogenannte votum ad
imperatorem. Wenn bei Erörterung einer Streitsache zwei
Meinungen sich in völliger oder annähernder Stimmengleichheit
gegenüberstanden und beide mit „stattlichen grundfesten Ursachen“
bestärkt waren, so hatte der Präsident die Sache dem Kaiser zu
persönlicher Entscheidung vorzutragen !".
Das hauptsächlichste Rechtsmittel gegen die Erkenntnisse des
Reichshofrates war die Supplikation, durch welche eine er-
neut Prüfung der Sache seitens desselben Gerichtes veranlaßt
wurde !!,
6 Instr. pac. Osnabr. Art. V 88 54-56.
® Reichshofratsordnung von 1654 (Schmauß, Corp. jur. publ. 898 ff.;
Zeumer, Quellalg. 443 ff.) Tit. 18 1.
ıR.H.0.(.2.0)$1u2.
8 Instr. pac. Osnabr. Art, V 88 54 u. 56.
’R.H.0.Tt. I SS 1u 8.
R.H.O. Tit. V 88 18-22. W.C. Art. XVI$ 15.
11 Instr. pac. Osnabr. Art. V$55. R.H.0.Tit.V$7.