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sich nur noch in mehreren deutschen Staaten eine besondere Ver-
tretung auf den Landtagen * und ganz vereinzelte privatrechtliche
Vorrechte, z. B. das ausschließliche Recht, Familienfideikommisse
zu besitzen®.
Die deutsche Bundesskte* hatte dem ehemaligen Reichsadel
(d. h. der Reichsritterschaft) einige besondere Rechte zugesichert,
namentlich Freiheit des Aufenthaltes, Autonomie innerhalb der
Schranken der Landesgesetzgebung, Anteil der Begüterten an
der Landstandschaft, Patrimonial- und Forstgerichtsbarkeit, Orts-
olizei, Kirchenpatronat und privilegierten Gerichtsstand. Diese
Rechte sind jedoch teils durch die spätere Gesetzgebung beseitigt
worden, teils haben sie durch dieselbe ihre Bedeutung verloren,
so daß die ehemalige Reichsritterschaft jetzt in allen wesent-
lichen Punkten dem übrigen Adel gleichsteht. Die Autonomie
des vormaligen Reichsadels und des ihm in dieser Hinsicht vor
Inkrafttreten des bürgerlichen Gesetzbuches gleichgestellten land-
suerigen Adels bleibt nach Maßgabe der Landesgesetze auch ferner
in Kraft®,
Zweiter Abschnitt.
Rechtsverhältnisse der Versammlungen, Vereine
und Korporationen'.
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Verein ist eine dauernde freiwillige Verbindung mehrerer
Personen zu einem bestimmten Zweck. Korporationen heißen
diejenigen Vereine, denen Rechtsfühigkeit beigelegt ist. Ver-
sammlungen sind Zusammenkünfte mehrerer Personen zum
Zwecke gemeinsamer Erörterungen oder Kundgebungen. Die
Versammlungen zerfallen in nicht öffentliche, zu welchen
nur individuell bestimmte Personen zugelassen werden, und öffent-
StR 1 807 fi.; v. Roenne-Zorn, Preuß. StR 2 70 ff.; Lebrecht, AnnDR 1006
415 ff.; L. Hoffmann, Das Adelsrecht in Bayern (1896); Walz, Bad. StR 23 ff.
2 Vgl. 53,98 u. 100 8. 338 ff. u. 359,
® Bayr. Verf. Beil. VII 8 1. Bad. LR S. 577cd. AusfG. zum BGB
vom 17. Juni 1899 Art. 36 S 4.
* Bundesakte vom 8. Juni 1815 Art. 14.
5 EG zum BGB Art. 58.
ı [Literatur, I. Altere: Gierke, GenossR 1 865 ff., 8 769 ff.; L. v. Stein,
Verwaltungslehre IV 107 fi.; Brater, Art. Vereine und Versammlungen im
Staatswörterbuch; Lewis, Art. Vereinsrecht im Rechtslexikon; Sohm, Über
die Geschichte der Vereinsfreiheit, Schmollers Jahrb. 6 803 f.; Jolly, Art,
Vereine und Versammlungen in v. Stengels Wörterb. (1. Aufl.) 2 666 ff.
II. Neuere: Meyer-Dochow 160 ff.; Stier-Somlo, Vereine u. Versammlungen,
WStVR 8 650 fi. (Literatur 8. 655, 656); Loening, Art. Vereins- u. Vers.-Frei-
heit, Handwörterb. d. Staatswiss. 8 152 ff.; Anschütz, Komm, z. preuß. Verf.
1 513 ff.; die Kommentare zum Reichsvereinsgesetz (RVG) vom 19. April
1908, von denen insbesondere Stier-Somlo, Delius, Friedenthal, Hieber-Basille,
Heine, Lindenberg zu nennen sind].