Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

1000 Zweiter Teil, Viertes Buch. $ 234. 
gestatten, die bestehenden Kircheneinrichtungen dagegen nicht 
verändern dürfe". 
Infolge dieser Bestimmungen blieb auch nach dem West- 
fälischen Frieden der konfessionelle Charakter der deutschen Terri- 
torien fortbestehen. Neben der herrschenden Konfession existierten 
einzelne Gemeinden, welche auf Grund der Bestimmungen des 
Friedens eine Religionsübung in Anspruch nehmen konnten oder 
vom Landesherrn toleriert wurden. Vielfach legten sich die 
Landesherren die Befugnis bei, auch andere christliche Religions- 
gemeinschaften als die drei anerkannten Hauptkirchen zuzulassen, 
obwohl dies mit den Bestimmungen des Westfälischen Friedens 
nicht im Einklang stand. 
Die Grundsätze der Toleranz kamen im Laufe des acht- 
zehnten Jahrhunderts zuerst in Preußen in umfassender Weise 
zur Geltung®. Schon bei der Erwerbung Gelderns war der Fort- 
bestand der katholischen Kirche zugesichert worden. Dasselbe 
geschah bei der Abtretung Schlesiens und der ersten polnischen 
Teilung. Auch alle anderen religiösen Gemeinschaften wurden 
geduldet, sofern ihre Lehren nicht unsittlich oder gesetzwidrig 
waren. Durch das Religionsedikt vom 9. Juli 1788 wurde die 
vollkommene Gleichberechtigung der drei christlichen Hauptkon- 
fessionen ausgesprochen. Das Allgemeine Landrecht gewährt jedem 
Einwohner des Staates volle Glaubens- und Gewissensfreiheit, sowie 
das Recht des häuslichen Gottesdienstes®. Zur Bildung von Re- 
ligionsgesellschaften erfordert es dagegen Genehmigung des Staates!°. 
Die Religionsgesellschaften zerfallen nach ihm in öffentlich auf- 
genommene und geduldete. Erstere haben die Stellung be- 
vorrechtigter Korporationen, ihre Gebäude heißen Kirchen und 
sind als privilegierte Gebäude des Staates zu betrachten, ihren 
Beamten stehen die Rechte der Staatsbeamten zu. Letztere besitzen 
das Recht des Privatgottesdienstes in besonderen Gebäuden, deren 
Eigentum sie aber nur mit Bewilligung des Staates erwerben 
können; sie dürfen sich weder der Glocken bedienen noch dffent- 
liche Zusammenkünfte außerhalb der Mauern ihres Versammlungs- 
hauses veranstalten !!, 
? Instr. pac. Osnabr. Art. VII SS 1 u. 2. 
8 Vgl. Zorn, Lehrb. d. Kirchenrechts 174 ff.; Derselbe, Die Hohenzollern 
und die Religionsfreibeit (1896); Fürstenau, Das Grundrecht der Religions- 
freiheit; Anschütz, Komm. 183#.; v. Roenne-Zorn a, a. O. 8 171 ff. 
9% ALR II 11 88 1—6, 40. Vgl. den Kommentar zu diesen Bestimmungen 
bei Hinschius, Das preuß. Kirchenrecht im Gebiete des Allgem. Landrechte. 
10 Lehmann, Preußen und die kathol. Kirche seit 1640 1 (1878); Schoen, 
Das Landeskirchentum in Preußen, Verwaltungsarchiv 6 101ff., Evang. 
Kirchenrecht in Preußen 1 160 ff. 
ıı ALR T. II Tit. 11 88 17ff. Diese Vorschriften blieben bis zum 
Erlaß der Verf. in Kraft. Vgl. Patent, die Bildung neuer Kirchengesell- 
schaften betr., vom 30. März 1847. Zwischen die öffentlich aufgenommenen 
und die geduldeten Religionsgesellschaften schob sich aber unter dem Ein- 
fluß der Praxis noch eine dritte Klasse, die sog. konzessionierten, ein. 
(Vgl. Jacobsohn in der Zeitschrift für Kirchenrecht 1 394 ff.).
	        
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