1006 Zweiter Teil. Viertes Buch. $ 235.
wurde der kirchlichen Organisation Deutschlands der Boden ent-
zogen. Das Bedürfnis einer neuen Regelung derselben machte
sich geltend. Aber es führten weder die Unterhandlungen des
Papstes mit dem deutschen Reiche zu einem Resultat, noch kam
der Gedanke, ein Konkordat mit dem Rheinbund abzuschließen,
zur Ausführung. Dagegen hatte Napoleon I. schon als erster
Konsul im Jahre 1801 ein Konkordat mit dem Papste vereinbart,
welches die Verhältnisse der französischen Kirche zu regeln be-
stimmt war. Ein Gesetz vom 18. germinal des Jahres X (8. April
1802) legte demselben die Geltung eines Staatsgesetzes der fran-
zösischen Republik bei und ergänzte es durch die sogenannten
Organischen Artikel®, in denen die Hoheitsrechte des Staates
über die Kirche eine genaue Fixierung erhielten. Diese Bestim-
mungen behielten in Elsaß-Lothringen auch nach der Vereinigung
mit dem Deutschen Reiche gesetzliche Gültigkeit*.
Nach Gründung des Deutschen Bundes fanden neue
Unterhandlungen zwischen der römischen Kurie und den einzelnen
deutschen Staaten statt. Mit Bayern wurde am 5. Juni 1817 ein
Konkordat vereinbart, das am 24. Oktober und 15. November
desselben Jahres seine Ratifikation erhielt. Die Publikation des-
selben erfolgte gleichzeitig mit der Verfassung am 26. Mai 1818,
und zwar als erster Anhang zur zweiten Verfassungsbeilage, dem
sogenannten Religionsedikt. In dem letzteren waren die staat-
lichen Aufsichtsrechte ausführlich geregelt. Die übrigen Staaten
verzichteten entweder von vornherein auf den Abschluß von
Korkordaten oder die darüber stattgehabten Verhandlungen führten
zu keinem Resultat. Die kirchliche Organisation wurde hier auf
Grund von Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche durch
äpstliche Zirkumskriptionsbullen geregelt, welche der Staat als
tatut der katholischen Kirche publizierte. Die Frage der Kirchen-
hoheit blieb damit der staatlichen Gesetzgebung vorbehalten ®,
8 OQ. Mayer, Portalis und die Organischen Artikel (1902).
* Ein vertragsmäßiges Verhältnis mit der römischen Kurie besteht
allerdings für das Deutsche Reich nicht, da vertragsmäßige Rechte und Ver-
flichtungen eines Staates mit der Abtretung einzelner Gebietsteile nicht
übergehen. So wird auch übereinstimmend von der Kurie und der deutschen
Reichsregierung angenommen (Dove, Zeitschrift für Kirchenrecht 11 91 ff.).
Das Konkordat hatte aber für Frankreich nicht bloß die Kraft eines Staats-
vertrages, sondern auch die eines Gesetzes. Als solches ist es trotz der
Vereinigung Elsaß-Lothringens mit dem Deutschen Reiche in Kraft geblieben
und bleibt es solange, bis es auf dem Wege der Gesetzgebung aufgehoben
wird. Vgl. auch Hinschius in Marquardsens Handbuch des öffentlichen
Rechtes 1 278 N. 4.
5 Für Preußen: Bulle De salute animarum vom 16. Juli 1821, publi-
ziert am 23. August 1821; für Hannover: Bulle Impensa Romanorum pon-
tiicum vom 26. März 1824, publiziert am 20. Mai desselben Jahres; für die
Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz (Württemberg, Baden,
beide Hessen, Nassau, Hohenzollern, Frankfurt): Bullen Provida sollersque
vom 16. August 1821 und Ad dominici gregis custodiam vom 11. April 1827.
Publikation unter Vorbehalt der landesherrlichen Rechte. Übereinstimmende
Verordnung der beteiligten Regierungen, betr. die Ausübung der verfassungs-