Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Rechtsverhältnisse der Untertanen. $ 286. 1009 
in den siebziger und achtziger Jahren ebenfalls verschiedene Modi- 
fikationen erfahren !*. Im Königreich Sachsen ist im Jahre 1876 
eine neue kirchenpolitische Gesetzgebung in Kraft getreten !®, 
Die Kirchengesetze der kleineren deutschen Staaten sind von 
geringerer Bedeutung "". 
Als die hauptsächlichsten Hoheitsrechte des Staates über die 
katholische Kirche erscheinen: 
1. das Placet, 
2. der sogenannte recursus ab abusu, 
3. die Mitwirkung bei der Errichtung, Besetzung und Er- 
ledigung von Kirchenämtern, 
4. die Aufsicht über die Ausübung gewisser kirchlicher Be- 
fugnisse und die Überwachung gewisser kirchlicher Anstalten. 
8 236, 
Das Placet! (placetum regıum) ist das Recht des Staates, 
von Erlassen der kirchlichen Organe Einsicht zu nehmen und ihre 
Veröffentlichung zu gestatten. Die rechtliche Bedeutung desselben 
besteht darin, daß nur diejenigen kirchlichen Erlasse, welche auf 
Grund des erlangten Placets veröffentlicht sind, verbindliche Kraft 
für den Staat besitzen. Diejenigen dagegen, deren Veröffentlichung 
ohne Placet stattgefunden hat, sind für den Staat rechtlich be- 
deutungslos. 
Das Placet hat sich seit dem fünfzehnten Jahrhundert in 
Frankreich und von deutschen Territorien namentlich in Bayern 
entwickelt. Eine allgemeine Verbreitung erlangte es in den katho- 
lischen Ländern Deutschlands seit dem siebzehnten Jahrhundert. 
15 Bad. G., betr. die Anderung einiger Bestimmungen des Gesetzes vom 
9. Okt. 1860, die rechtliche Stellung der Kirchen und kirchlichen Vereine im 
Staate betr., vom 19. Februar 1874, G., die allgemeine wissenschaftliche Vor- 
bildung der Kandidaten des geistlichen Standes betr., vom 5. März 1880. 
G., Änderung einiger gesetzlicher Bestimmungen über die rechtliche Stellung 
der Kirchen und kirchlichen Vereine im Staate betr., vom 5. Juli 1888. [Die 
neueste Novelle zu dem G. vom 9. Okt. 1860 ist vom 4. Juli 1918, auf Grund 
derselben ist das G. vom 9. Oktober 1860 als „Kirchengesetz“ neu ver- 
kündigt worden: bad. G. u. VBl. 195). 
8 Sächs. G., die Ausübung des staatlichen Oberaufsichtsrechtes über 
die katholische Kirche im Königreich Sachsen betr., vom 28. August 1876. 
Die Bestimmungen über Anwendung desselben auf die Oberlausitz enthält 
die V. vom 13. Juli 1877. 
17 Zu erwähnen sind: 8.-Weim. G. vom 7. Okt. 1823, Abänderung vom 
6. Mai 1857, Old. Vertr. vom 5. Januar 1830, Normativ vom 5. April 1831, 
Braunschw. G. vom 10. Mai 1867, Schw.-Rud, V. vom 10. Nov. 1871, 
Lipp. Ed. vom 9. März 1854. [Eine vollständige Übersicht der deutschen 
Landesgesetze kirchenrechtlichen Inhalts gibt Kahl, Lehrsystem 1 191 ff. 
Zur Ergänzung vgl. die einschlägigen Mitteilungen in der Zeitschrift für 
Kirchenrecht. 
ı vgl. erüber namentlich Friedberg, Grenzen zwischen Staat und 
Kirche; Hinschius, Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten B 749 ff., 
838 f.; Hübler, Art. „Placet“ im WStVR 8 80 ff.; Kahl a. a. O. 377 ff.
	        
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