Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

1010 Zweiter Teil. Viertes Buch. $ 237. 
In Preußen wurde es 1754 eingeführt. Bis zum Jahre 1840 
bestand das Placet in allen deutschen Staaten, seit dieser Zeit ist 
es in den meisten aufgehoben oder beschränkt worden. 
In alter Form existiert es noch in Bayern und Elsaß-Loth- 
ringen®. Dagegen ist es in Preußen völlig beseitigt*. Die anderen 
Gesetzgebungen nehmen einen vermittelnden Standpunkt ein: es 
sollen alle kirchlichen Erlasse der Regierung zur Einsicht vor- 
gelegt werden, dagegen bedürfen einer ausdrücklichen Genehmigung 
nur solche, welche in die bürgerlichen Verhältnisse der Staats- 
angehörigen eingreifen ®. 
8 237. 
Der Staut hat das Recht, Beschwerde wegen Miß- 
brauches der geistlichen Gewalt anzunehmen und den- 
selben Abhilfe zu verschaffen!. Die Berufung des einzelnen, 
der sich in seinen Rechten durch Verfügungen der kirchlichen 
Organe beschwert fühlt, an den Staat wird als recursus ab 
abusu bezeichnet. Der recursus ab abusu (appel comme d’abus) 
hat sich bei den französischen Parlamenten ausgebildet, unter 
deren Schutz sowohl die pragmatische Sanktion von 1437 als auch 
das Konkordat von 1516 gestellt waren. Durch die Ordonnanz 
von Villers-Cotteret aus dem Jahre 1539 zuerst gesetzlich geregelt, 
erhielt er sich bis zur französischen Revolution. Eine Zeitlang 
außer Übung gekommen, wurde er durch die Organischen Artikel 
wieder hergestellt, die Entscheidung aber nunmehr dem Staatsrate 
übertragen. Im deutschen Reiche war wegen Mißbrauchs der 
geistlichen Amtsgewalt eine Beschwerde beim Kaiser zulässig, 
außerdem bestand beim Reichskammergericht und dem Reichs- 
hofrat ebenfalls ein recursus ab abusu, und zwar nicht bloß gegen- 
über der katholischen, sondern auch gegenüber der protestantischen 
Kirche. In den einzelnen Ländern erfolgte die Abhilfe infolge 
von Beschwerden beim Landesherrn oder bei den höheren Ver- 
waltungsbehörden ohne speziellere Regelung des Verfahrens. 
In den meisten deutschen Ländern hat sich der recursus ab 
8, Friedberg a. a. O. 276; Hinschius a. a. O. 759, ALR Teil II Tit. 11 
8 Bayr. Verf. Tit. IV $ 9, Rel. Ed. $ 58. Organ. Art. 1-3. 
* Durch Kab.-O. vom 1. Januar 1841 für dogmatische Erlasse, durch 
Art. 16 der Verf. allgemein. Auch nach Aufhebung des letzteren hat eine 
Wiederherstellung nicht stattgefunden. Anschütz, Komm, 1 H0f. 
6 Württ. G. vom 80. Jan. 1862 Art. 1, Bad. G. vom 9. Okt. 1860 88 15. 
u. 16, Hess. G. über die rechtliche Stellung der Kirchen Art. 5, Sächs. G. 
vom ®. Aus 1866 88 2u.8, S.-Weim. G. vom 7. Okt. 1823 8 3, Braunschw. 
I Vgl. Friedberg, Grenzen zwischen Staat und Kirche; Hübler, Art. 
Staatskirchl. Gerichtsbarkeit“ im WStVR 8 494 ff.;, Hinschius, Kirchenrecht 
6 203 ff., 266 ff.; E. Eichmann, der recursus ab abusu nach deutschem Recht 
(Gierkes Untersuchungen Heft 66).
	        
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