1034 Nachtrag.
in den Dienst der Revolution gestellt. Die deutsche Revolution
von 1918 ist von einem meuternden Heer und einer radikal-
sozialistischen Arbeiterschaft. gemacht worden; dementsprechend
wuchsen, als Exponenten und örtliche Organisationen der sieg-
reichen Klassen, allenthalben, in jeder Stadt, bei jedem größeren
Truppenteil, „Arbeiter- und Soldatenräte (im Namen wie der
Sache nach russischen Ursprungs) wie Pilze aus dem Boden.
Am 9. November kam die Revolution nach Berlin. Hier war
inzwischen die Frage der Abdankung des Kaisers brennend ge-
worden. Die Führer der sozialdemokratischen Partei verlangten,
gedrängt von den ihrer Leitung entgleitenden Massen, am 7. No-
vember von dem Reichskanzler Prinzen Max die Herbeiführung
des Thronverzichts, auch seitens des Kronprinzen, binnen 24 Stun-
den, widrigenfalls sie sich von der Regierung trennen würden.
Dies Ultimatum hatte, wenn auch nicht genau innerhalb der ge-
stellten Frist, Erfolg, bewirkte freilich auch den Rücktritt des
Kanzlers. Am 9. November entsagte der Deutsche Kaiser und
König von Preußen und auch — wie allgemein angenommen
wurde — der Thronfolger der Krone. Letztere ging damit auf den
ältesten, minderjährigen Sohn des Kronprinzen über. Aber diese
Thronfolge trat tatsächlich nicht ein, auch nicht die mit ihr not-
wendig (oben $ 92 S. 311) verbundene Regentschaft. Vielmehr ver-
wandelten sich das Reich und Preußen (dem die übrigen Einzel-
staaten in dieser Hinsicht teils schon vorangegangen waren, teils
unmittelbar nachfolgten) in demokratische Republiken. Der am
9. November aus seinem Amte scheidende Reichskanzler Prinz
Max ließ unmittelbar vor seinem Rücktritt bekanntgeben, daß er
beabsichtige, „dem Regenten die Ernennung des Abgeordneten
Ebert zum Reichskanzler und die Vorlage eines Gesetzentwurfes
wegen der sofortigen Ausschreibung allgemeiner Wahlen für eine
verfassunggebende deutsche Nationalversammlung vorzuschlagen,
der es obliegen würde, die künftige Staatsform des deutschen
Volkes endgültig festzustellen“. Noch am gleichen Tage setzte er
aber selbst, ohne daß von der Einleitung einer Regentschaft die Rede
war oder später noch die Rede gewesen wäre, den sozialdemokrati-
schen Führer und Abgeordneten Ebert zu seinem Nachfolger ein.
Der so Eingesetzte betrachtete sich jedoch nicht als Reichskangler
im Sinne der RVerf, umgab sich vielmehr mit noch fünf Genossen
im Besitz der Macht: zwei aus den Reihen seiner, der alten
sozialdemokratischen Partei („Mehrheitssozialisten®) und drei aus
denen der „Unabhängigen“, wodurch ein aus sechs Mitgliedern
bestehender „Rat der Volksbeauftragten“ entstand, der,
am nächsten Tage, dem 10. November, von der obersten revolutio-
nären Instanz der Reichshauptstadt, dem Vollzugsausschuß des
Berliner Arbeiter- und Soldatenrats, anerkannt und bestätigt, die
oberste Re ierungsgewalt des Reiches, einschließlich der gesetz-
gebenden Gewalt, bis auf weiteres an sich nahm.
Das Kaisertum war zusammengebrochen, zweiundzwanzig