Ill. Die Anfänge des neuen Staatsrechts, 1041
liche Begründung ist diesem Entwurf nicht beigegeben, stattdessen
wurde er von dem inzwischen zum Reichsminister des Innern er-
nannten vormaligen Staatssekretär Dr. Preuß in der Sitzung der
NatVers. vom 24, Februar 1919 in eingehenden Ausführungen
mündlich begründet.
Dieser Regierungsentwurf — die Geschichte der künftigen
Reichsverfassung wird ihn, von dem Preußschen Entwurf (oben
Nr. 11) als den Entwurt I ausgehend, einst als Entwurf II der
Verfassung zu bezeichnen haben — unterscheidet sich von seinem
Vorgänger, auf dem er im allgemeinen aufgebaut ist, in nicht
wenigen, zum Teil grundsätzlich bedeutsamen Punkten, Er ist
vor allem, unter dem Einflusse einer Gegnerschaft, die sich bei
den Regierungen mancher Einzelstaaten, voran der süddeutschen,
in der Literatur und in der Presse wider den Preußschen Ent-
wurf erhoben hatte, weit föderalistischer, um nicht zu sagen parti-
kularistischer, gestaltet als dieser Entwurf. Er gibt, was die Zu-
ständigkeitsverteilung anlangt, dem Reiche weniger als der erste
Entwurf. So sind nach dem letzteren das Militärwesen, das Zoll-
wesen, das Eisenbahnwesen in bezug nicht nur auf die Gesetz-
gebung, sondern auch auf die Verwaltung Reichssache: alle Militär-
verwaltung ist Reichsverwaltung, die Zölle werden von Reichs-
behörden erhoben, die Staatseisenbahnen von den Einzelstaaten
auf das Reich tibertragen. Dagegen geht der Entwurf Il, was das
Militärwesen anlangt, im wesentlichen wieder auf die bisherige
Kontingentsverfassung zurück’, er beläßt es im Zollwesen in
einem großen Teile des Reichs (Bayern, Sachsen, Württemberg,
Baden, Hessen, Bremen, Hamburg) bei dem System der Erhebung
der Zölle durch die Landesbehörden ?® und bezeichnet es lediglich
als „Aufgabe“ des Reichs, die Eisenbahnen (im Wege des Ver-
trags gegen Entschädigung) in seine Verwaltung zu übernehmen ?®°,
Die Reservatrechte Bayerns, der andern süddeutschen Staaten,
Bremen und Hamburgs (oben 701, 702), welche der erste Ent-
wurf stillschweigend beseitigt hatte, stellt der zweite in vollem
Umfange wieder her. Die Aufsichtsgewalt des Reichs gegenüber
den Einzelstaaten ist abgeschwächt, dagegen die Beteiligung der
Einzelstaaten (Entwurf II nennt sie „Gliedstaaten“) bei der Bildung
des Reichswillens erheblich verstärkt. Letzteres ist insbesondere
dadurch geschehen, daß an Stelle des im Entwurf I vorgesehenen
Staatenhauses ein den Willen und die Interessen der einzelnen
Gliedstaaten stärker und sicherer zur Geltung bringendes föderalis-
tisches Organ, ein Reichsrat, gesetzt wurde, der, in seiner
Formation den bisherigen Bundesrat bzw. Staatenausschuß (s. oben)
der Reichsregierung und dem Staatenausschusse nicht zustande, so darf
jeder Teil seinen Entwurf der NatVers. zur Beschlußfassung vorlegen.
27 Entw. II Art. 5 Abs, 4. Vgl. oben $ 195a, 196.
*8 Art. 115.
89 Art. 90.