Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Zeit des Rheinbundes, $ 35. 107 
Preußens Absicht ging in dieser Zeit dahin, ein nord- 
deutsches Kaiserreich zu gründen, in welchem dem Könige von 
Preußen die Kaiserwürde zustehen und dieser gemeinsam mit den 
den Königstitel annehmenden Kurfürsten von Sachsen und Hessen 
das Direktorium führen sollte®. Aber die Unterhandlungen mit 
den genannten beiden Herrschern führten zu keinem Resultat. In 
dem bald darauf ausbrechenden Kriege mit Frankreich erlitt 
Preußen so entscheidende Niederlagen, daß es im Frieden zu Tilsit 
vom 9. Juli 1807° alle Besitzungen zwischen Rhein und Elbe, 
einschließlich des besetzten Hannover, den Kottbuser Kreis und 
den größten Teil seiner polnischen Besitzungen abtreten? und den 
Rheinbund anerkennen mußte®. 
Diesem trat am 11. Dezember 1806 der bisherige Kurfürst, 
nunmehr König von Sachsen bei®?. Im Laufe der Jahre 1806 bis 
1808 folgten die Herzöge von Sachsen-Weimar, Sachsen - Gotha- 
Altenburg, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen, Sachsen- 
Koburg-Saalfeld, Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, 
Oldenburg, die Fürsten, nunmehrigen Herzöge von Anhalt-Dessau, 
Anhalt-Bernburg und Anhalt-Köthen, die Fürsten von Lippe, 
Schaumburg-Lippe, Reuß-Greiz, Reuz- Schleiz, Reuß-Lobenstein 
und Reuß-Ebersdorf, Schwarzburg- Sondershausen, Schwarzburg- 
Rudolstadt und Waldeck !°, 
Der Kurfürst von Hessen-Kassel, der Herzog von Braunschweig- 
Wolfenbüttel und der mit Fulda entschädigte Fürst von Nassau- 
Dillenburg (Oranien) wurden vertrieben. Aus früheren preußischen, 
hannoverschen, hessen-kasselschen und braunschweig-wolfenbüttel- 
schen Landen bildete Napoleon das Königreich Westfalen, das er 
seinem Bruder Jeröme verlieh, welcher ebenfalls Mitglied des 
Rheinbundes wurde!!, 
Der Rheinbund umfaßte also schließlich ganz Deutschland, 
mit Ausnahme von Österreich, Preußen, Schwedisch - Pommern, 
Holstein, welches Dänemark völlig inkorporiert hatte!%, Lauen- 
burg, das die Franzosen als Krondomäne verwalteten, und den 
Hansestädten. 
6 A, Schmidt, Preußens deutsche Politik 75 ff. (8. Aufl., Leipzig 1867), 
Geschichte der preußisch-deutschen Unionsbestrebungen, Berlin 1851; Häußer 
a. a. O. 2 701ff.; v. Kaltenborn a. a. O. 39fl.; Kloeppel, Dreißig Jahre 
deutscher Verfassungsgeschichte 50 fl. 
6 G. v. Meyer a. a. O. 96 ff. 
? Tilsiter Frieden Art. 2, 7, 12, 18, 14. 
8 Tilsiter Frieden Art. 4. 
% Akzessionsvertrag bei G. v. Meyer a. a, O. 89 fl. 
10 Akzessionsverträge bei G. v. Meyer a. a. 0. Wfl. 
11 Verfassung des Königreichs Westfalen vom 15. November 1807. Ab- 
edruckt bei Winkopp, Rheinischer Bund 4 474 ff. und bei Pölitz, Europäische 
erfassungen 1 38 £ Auszug bei G. v. Meyer a. a. O. 92 u. 106. Besprochen 
bei Oeschey, Die bayrische Verf.-Urk. v. 26. Mai 1818 und die Charte Lud- 
wigs XVIM. v. 4. Jani 1814, Ein Beitrag zur Lehre vom monarchischen 
Prinzip (1914) 29 £. 
ı2 Edikt vom 9. September 1806 bei G. v. Meyer a. a. O. 72.
	        
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