Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

126 Erster Teil. Drittes Buch. $ 42. 
Die Bundesversammlung hatte eine doppelte Art der Ver- 
handlung und Abstimmung: das Plenum und den Engeren 
Rat. Beide unterschieden sich hinsichtlich der Stimmenverteilung, 
der zu behandelnden Gegenstände und der Majorität, welche dabei 
den Ausschlag gab. 
Im Plenum hatte jedes Mitglied mindestens eine Stimme’, 
die größeren mehrere (System der Einer- und Mehrstimmen), im 
Engeren Rate dagegen besaß jedes Bundesmitglied höchstens 
eine Stimme, die kleineren waren zu Gesamtstimmen oder Kurien 
vereinigt (System der Viril- und Kurialstimmen). Es führten im 
Plenum Österreich und die fünf Königreiche (Preußen, Bayern, 
Sachsen, Hannover, Württemberg) je 4 Stimmen, Baden, beide 
Hessen, Holstein und Lauenburg, Luxemburg und Limburg je 3, 
Braunschweig, Mecklenburg-Schwerin und Nassau je 2, alle übrigen 
Staaten je 1 Stimme®. Die Gesamtzahl der Stimmen betrug ur- 
sprünglich: 69, nach dem Beitritt von Hessen-Homburg 70, ver- 
minderte sich aber im Laufe der Zeit auf 64. — Im Engeren Rate 
bestanden 17 Stimmen, darunter 11 Virilstimmen, welche je einem 
einzelnen Bundesgliede, nämlich Österreich, Preußen, Bayern, 
Sachsen, Hannover, Württemberg, Baden, Kurhessen, Großherzog- 
tum Hessen, Dänemark für Holstein und Lauenburg, Niederlande 
für Luxemburg und Limburg zustanden. Die 6 weiteren Stimmen 
waren sogenannte Kurialstimmen®. Innerhalb der einzelnen Kurien 
wurde durch spezielle Verträge unter den Beteiligten festgesetzt, 
wie die Entscheidung bei Meinungsdifferenzen erfolgte und welcher 
Staat stimmführend war, d. h. wessen Gesandter formell die Kurial- 
stimme abgab!°. Die erste Kurie (zwölfte Stimme des Engeren 
Rates) bildeten die großherzoglich-herzoglich-sächsischen Häuser. 
Hier hatte Weimar die Stimmführung. Stimmten die Instruktionen 
von Weinar und einem der herzoglichen Häuser überein, so konnte 
die Kurialstimme in diesem Sinne abgegeben werden; stand auf 
der einen Seite Weimar, auf der anderen die drei herzoglichen 
Häuser, so erfolgte die Entscheidung alternierend durch Weimar 
und die übereinstimmende Instruktion der übrigen Regierungen. 
In der dreizehnten (zweiten Kurial-) Stimme befanden sich 
Braunschweig und Nassau. Die Stimmfübrung wechselte von 
drei Monaten zu drei Monaten, die Entscheidung bei abweichenden 
Instruktionen von Gegenstand zu (Gegenstand, jedoch so, daß wer 
zuerst in einer Frage gestimmt hatte, auch in allen folgenden auf 
dieselbe Frage bezüglichen Abstimmungen die Entscheidung gab. 
Hegemonie über den Bund ausgeübt. Der erste ernstliche Versuch, diese 
Hegemonie zu erschüttern — das selbständige Vorgehen Preußens in Sachen 
der Bay reform, 1866 (unten $ 60, 61) — führte alsbald zur Zerstörung des 
undes,. 
? Über die hinsichtlich der reußischen Fürstentümer j. L. bestehende 
Ausnahme vgl. $ 40 S. 120. 
8 B. A. Art. 6. 
’B. A, Art. 4. 
1° Zöpfl, St.R. ($ 124) 1 297 ff.; H. A. Zachariä, St.R. ($ 252) 2 662 N. 12.
	        
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