Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

144 Erster Teil. Drittes Buch, 8 53, 
ment begründet, das nahezu anderthalb Jahrhunderte bestand. 
Erst im Jahre 1215 gelang es den großen Vasallen, dem Könige 
in der Magna Charta verfassungsmäßige Beschränkungen auf- 
zuerlegen. Doch enthielt diese mehr eine gesetzliche Begrenzung 
der Verwaltungsbefugnisse des Königs, als daß sie den Vasallen 
selbst einen wesentlichen Anteil am Staatsleben eingeräumt hätte. 
Nur in drei ihrer Bestimmungen, welche man gewöhnlich als die 
reichsständischen Klauseln der Magna Charta zu bezeichnen pflegt, 
treten die Ansätze zur späteren Parlamentsverfassung hervor: 
1. Es wurden 25 Barone (d. h. hohe Adlige), einschließlich des 
Mayors von London, zu Konservatoren der Magna Charta ernannt, 
welche den König, wenn er dieselbe übertrat, nötigenfalls mit 
Waffengewalt zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu 
zwingen hatten. 2. Strafen und Bußen sollten niemand auferlegt 
werden, wenn ihn nicht ein Gericht seiner Standesgenossen dazu 
verurteilt hatte. 3. Lehnshilfsgelder (auxilia) sollte der König 
außer in den drei herkömmlichen Ehren- und Notfällen (Ritter- 
schlag eines Sohnes, Verheiratung einer Tochter, Auslösung aus 
der Gefangenschaft) nur mit Zustimmung der Kronvasallen erheben 
dürfen. Eine gleiche Vereinbarung sollte eintreten, wenn statt der 
Naturalkriegsdienste Schildgelder (scutagia) erhoben wurden. Zu 
diesen Versammlungen sollten die Erzbischöfe, Bischöfe, Abte, 
Grafen und größeren Barone einzeln durch königliche Hand- 
schreiben, die übrigen Kronvasallen gemeinsam durch den Sherift 
der Grafschaft geladen werden. 
Nur sehr allmählich gelangten diese Bestimmungen zur tat- 
sächlichen Geltung. Bis zur Regierung Edwards I. (1272—1307) 
wurden, wenn den Königen überhaupt eine Verständigung mit 
den Vasallen wünschenswert erschien, regelmäßig nur die größeren 
Kronvasallen, d. h. diejenigen Personen, welche nach der Magna 
Charta speziell geladen werden sollten, berufen, teils um Lehns- 
hilfsgelder oder Schildgelder zu bewilligen, teils um Verordnungen, 
welche der König zu erlassen beabsichtigte, mit durchzuberaten. 
Die Versammlungen derselben, welche schon damals parliamen- 
tum genannt wurden, schlossen sich an die Sitzungen des per- 
manent (später privy) council, d. h. derjenigen kollegialischen Be- 
hörde an, welche den König in der Führung der Landesverwaltung 
unterstützte. Sie erschienen als erweiterter Staatsrat odermagnum 
consilium, und zwar in einer dreifachen Funktion: 1. als Ge- 
richtshof für außerordentliche Fälle, namentlich als iudicium parium 
für die eigenen Mitglieder, 2. als steuerbewilligender Körper, 3. als 
höchste beratende Behörde des Königs, namentlich beim Erlaß 
neuer Gesetze. — Die Berufung zu dem großen Rate, welche ur- 
sprünglich eine rein persönliche war, wurde allmählich für die 
weltlichen Mitglieder eine erbliche. 
Neben den großen Kronvasallen bestanden aber noch die 
kleineren Kronvasallen und Untervasallen, welche zusammen die 
Ritterschaft bildeten und in feste kommunale Verbände, Graf-
	        
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