Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

176 Erster Teil. Viertes Buch. $ 59. 
die Absicht der Gründung eines Bundes ausgesprochen wurde, 
dessen Verfassung zum Teil auf der Frankfurter Grundlage be- 
ruhte. Diesem Bündnis trat eine Reihe von kleineren deutschen 
Regierungen bei. Dagegen hatten Hannover und Sachsen Vor- 
behalte über die Beteiligung aller deutschen Staaten gemacht, 
und da diese nicht erfüllt wurden, zogen sie sich wieder zurück. 
Außerdem hielten sich fern Österreich, Bayern, Württemberg, 
Holstein und Lauenburg, Luxemburg, Frankfurt, Hessen-Homburg 
und Liechtenstein. Mit den übrigen deutschen Regierungen ge- 
langte Preußen zu einer Verständigung. Da aber inzwischen klar 
geworden war, daß auf den Beitritt aller deutschen Staaten nicht 
zu rechnen sei, so wurde das beabsichtigte Verhältnis nur als 
eine engere bundesstaatliche Union innerhalb des fortbestehenden 
Staatenbundsverhältnisses des Deutschen Bundes gefaßt??®. Zur 
Beratung der unter den Regierungen festgestellten Verfassung be- 
rief man ein Parlament nach Erfurt, welches dort vom 20. März 
bis 29. April 1850 tagte®*. Dasselbe nahm die vorgelegte Ver- 
fassung unverändert an. 
Von der Frankfurter Reichsverfassung unterschied sich die 
sogenannte Erfurter Unionsverfassung wesentlich dadurch, 
daß an die Stelle des Kaisers ein „Reichsvorstand“ trat, dessen 
Würde mit der Krone Preußen dauernd untrennbar verbunden 
war. Ihm stand die Exekutive, insbesondere die Vertretung der 
Union nach außen und der militärische Oberbefehl allein zu, da- 
gegen wurde die Gesetzgebung in Gemeinschaft mit dem Reichs- 
tage durch ein aus sechs Stimmen (teils Viril-, teils Kurialstimmen) 
bestehendes Fürstenkollegium ausgeübt, in welchem Preußen eine 
Stimme und den Vorsitz führte. Das Fürstenkollegium hatte ein 
absolutes Veto. Der Reichstag sollte auch hier aus einem Staaten- 
hause und einem Volkshause bestehen, doch war für die Bildung 
des letzteren an Stelle des allgemeinen Wahlrechtes das preußische 
Dreiklassensystem vorgeschrieben 2°, 
Diesen Bestrebungen traten Bayern, Württemberg und 
Sachsen am 27. Februar 1850°° mit einem Verfassungsent- 
wurfe entgegen, welcher die Herstellung einer revidierten Bundes- 
verfassung für das ganze Gebiet des Deutschen Bundes erstrebte. 
Nach demselben sollten die Organe des Bundes sein: eine Bundes- 
regierung mit sieben Stimmen, Österreich, Preußen, Bayern, 
Sachsen, Hannover, Württemberg, beide Hessen, mit welchen 
28 Additionalakte vom 26. Februar 1850 (Weil a. a. O. 245). 
% Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des deutschen 
Parlaments zu Erfurt, 2 Bde. Vgl. v. Sybel 861 ff.;, Binding, Der deutsche 
Bundesstaat auf dem Erfurter Parlament (Deutsche Rundschau 87 321 ff.). 
26 Die Erfurter Unionsverfassung ist u. a. abgedruckt bei Binding, 
Deutsche Staatsgrundgesetze, Heft 2. Über sie — mit besonderer Hervor- 
hebung der Übereinstimmungen im Vergleich mit der heutigen Reichs- 
verfassung — Haenel, Staater. 1 10, 198, 199. 
1 959 eil a. a. O. 251ff.; Zoepfl, Staatsrecht 1 $ 194; v. Sybel a. a. OÖ,
	        
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