202 Erster Teil. Viertes Buch. $ 65.
kommen erfaßbarer Vorgang ist, als dessen nächste Analogie die Gründun
einer privatrechtlichen Körperschaft (rechtsfähiger Verein, Aktiengesellschaft
erscheint. Wie es im letzteren Falle die innerstaatliche Rechtsordnung
(das BGB., HGB.) ist, welche an die übereinstimmende Willenserklärun
der Gründer die Entstehung der von ihnen gewollten Korporation un
die weitere Wirkung knüpft, daß mit dieser Entstehung die von den
Gründern vereinbarte Satzung nicht mehr den Willen der Gründer, sondern
den Willen der Gründung, der neu entstehenden Gesamtpersönlichkeit dar-
stellt, so ist es bei der Erschaflung eines Bundesstaates durch Gesamtakt
bestehender Staaten die zwischenstaatliche, die Völkerrechtsordnung,
welche das Gewollte eintreten, welche den neuen Staat entstehen und die
ihm von seinen Gründern mitgegebene Verfassung als eine Norm erscheinen
läßt, die nun mehr allein und ausschließlich auf dem Willen der neuen
Staatsgewalt ruht.]
3. Die Ordnung der Rechtsverhältnisse von Luxemburg.
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Durch die Auflösung des Deutschen Bundes hatte das Groß-
herzogtum Luxemburg! volle Souveränetät erlangt und be-
hielt dieselbe, da ein Eintritt in den Norddeutschen Bund nicht
erfolgte. Die Stadt Luxemburg war Bundesfestung gewesen, in
welcher Preußen das Besatzungsrecht zustand. Nach Auflösung
des Bundes entstanden Zweifel, ob das preußische Besatzungsrecht
noch fortdauere, und es wurde die Frage der Räumung seitens der
luxemburgischen Regierung bereits im Juni 1866 angeregt?. Im
Frühjahr 1867 gingen von Frankreich aus Vorschläge über Ab-
tretung Luxemburgs an den König der Niederlande, welche bei
diesem ein bereitwilliges Entgegenkomnien fanden. Infolgedessen
entstand zwischen Preußen und Frankreich eine erhebliche Span-
nung, die zum Ausbruch eines kriegerischen Konfliktes geführt
haben würde, wenn nicht die unbeteiligten Großmächte vermittelnd
dazwischen getreten wären.
Unter ihrem Einfluß kam am 11. Mai 1867 ein Vertrag zu
London® zustande, an welchem die europäischen Großmächte,
Niederlande-Luxemburg und Belgien beteiligt waren. Derselbe be-
stimmte, daß Luxemburg dem bisherigen Herrscherhause ver-
bleiben sollte. Das Land wurde für neutral erklärt und diese
Neutralität unter die Garantie der Großmächte gestellt. Die Stadt
hörte auf Festung zu sein, und Preußen gab das ihm zustehende
Besatzungsrecht auf.
1 S, Brie, Luxemburg und seine Verbindung mit Deutschland, in
Preuß. J. 19 584 ff.; Eyschen, Staatsrecht des Großherzogtums Luxemburg
(Das öff. Recht der Gegenwart, Bd. 11, 1910) 13#f.; v. Sybel, Begründung
d. deutsch, Reichs 6 98 £., 166 ff.
2 Die auf die Luxemburger Frage bezüglichen Aktenstücke im Staats-
archiv 18 Nr. 2742.
8 v. Sybel a.a.0. 6 206 ff.; G. Meyer, Die Reichsgründung u. d. Groß-
herzogtum Baden (189) 30ff.; Hahn, Zwei Jahre Politik 586 ff.; Glaser,
Archiv d. Nordd. Bundes 4 125 f.; Staatsarchiv a. a. O. Nr. 27493.