Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

212 Erster Teil. Viertes Buch. $ 69a. 
6. Zu diesen Gebieten ist seit 1898 Kiautschou hinzu- 
getreten, welches Deutschland von China durch den Vertrag zu 
Peking vom 6. März 18985 erworben hat. Der Rechtstitel der 
Erwerbung ist in diesem Falle nicht Besitznahme, sondern Ab- 
tretung. Diese Abtretung hat in der Form eines Pachtvertrages 
auf 99 Jahre stattgefunden. Danach steht die Hoheit über das 
Gebiet formell auch fernerhin China zu; das Deutsche Reich ist 
nur zur Ausübung der Hoheitsrechte befugt®. Die Erklärung 
Kiautschous zum Schutzgebiet erfolgte durch kaiserlichen Erlaß 
vom 27. April 1898. 
7. Das Inselgebiet der Karolinen, Palau und Marianen 
ist durch den Staatsvertrag vom 12. Februar bzw. 30. Juni 1899 
gegen eine Geldentschädigung (25 Mill. Peseten) von Spanien 
an das Reich abgetreten worden, welches diese Inseln als Rechts- 
nachfolger Spaniens mit voller Souveränetät besitzt. Die Erklärung 
zum Schutzgebiet erfolgte durch kaiserlichen Erlaß vom 18. Juli 
1899; eine Verordnung gleichen Datums regelte die Rechtsverhält- 
nisse des neuen Schutzgebietes”. 
8. Die Samoa-Inseln. Diese befanden sich auf Grund der 
Generalakte der Samoakonferenz vom 14. Juni 1889 im gemein- 
samen Besitz von Deutschland, England und den Vereinigten 
5 Deutscher Reichsanzeiger vom 29. April 1898 Nr. 101. Marine- 
Verordnungsblatt 1898 S. 147. Staatsarchiv 61 Nr. 11518. 
° Jellinek, Die staats- und völkerrechtliche Stellung Kiautschous, in 
DJZ.8253f. Martens, Der Kiautschouvertrag (Heidelb, Diss.), Plön 1911. — 
Wie im Text Rehm, Staatsl. 82, 83 (und Rosenberg, Ann.D.R. [1903] 66 ı: 
Kiautschou sei chinesisches Staatsgebiet geblieben, und das Deutsche Reic 
habe nur das Recht auf Vertretung Chinas in Ausübung seiner Staatsgewalt 
hierüber. — Die herrschende Meinung hat sich dieser Auffassung nicht an- 
geschlossen, erblickt vielmehr in der „Verpachtung vorläufig auf 99 Jahre“ 
nur eine rechtlich unerhebliche Verschleierung der auf wahrhafte Gebiets- 
abtretung gerichteten Vertragsabsicht der Kontrahenten. Der Kiautschou- 
vertrag ge ört zu denjenigen völkerrechtlichen Urkunden, welche nicht 
wörtlich genommen sein wollen. Hiergegen verstößt Rehm a.a.0. Gegen 
ihn insbes. v. Stengel, Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete (1901) 
22, 23; wie v. Stengel ferner: Laband, Staatsr. 2 274 f.; Anschütz, Enzykl. 120, 
namentlich aber Köbner in ders. Enzykl. 2 1086, 1087 sowie in den Mitteil. 
der Internat. Vereinigung f. vergl. Rechtswiss. und Volkswirtschaftsi. (1903) 
Verschieden von der Rechtsstellung des Kiautschougebietes ist diejenige 
der umgebenden Zone von 50 Kilometer (Art. I des deutsch-chines. Vertrages 
vom 6. März 1898). Dort hat sich China die Souveränetätsrechte vorbehalten 
und dem Deutschen Reiche lediglich eine Reihe von (allerdings sehr weit- 
reichenden) Hoheitsrechten, die nach dem Sprachgebrauch des Völkerrechts 
als „Staatsservituten“ bezeichnet werden, überlassen. Diese Zone ist chine- 
sisches Gebiet geblieben. Mit den deutschen Interessensphären in Afrika und 
der Südsee hat sie rechtlich nichts gemeinsam. Vgl. Laband a. a. O. 275; 
Köbner in der Enzykl. 1087. 
? Der Staatavertrag ist abgedruckt in den Drucksachen des Reichstags, 
Session 1898/99, Nr. 394 sowie im Deutschen Kolonialblatt (1899) 469, der 
Erlaß vom 18. Juli 1899 ebenda S. 506, die Verordnung vom 18, Juli 1899 
im Kolonialblatt (1900) 93.
	        
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