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seiner wirtschaftlichen Gliederung heißt Gesellschaft®. Der
Begriff „Gesellschaft“ ist jedoch kein Rechtsbegriff, die Gesell-
schaft selbst kein Rechtssubjekt*.
2. ein Land oder Gebiet als sachliche Grundlage®,
—
bestimmungen, welche die Erscheinung „Nation“ nach objektiven Kriterien
erklären wollen, scheitern daran, daß die behaupteten Kriterien nicht immer
zutreffen. Diese Kriterien sind in Wahrheit nicht solche, sondern typisch
wiederkehrende Faktoren, welche vorzugsweise geeignet sind, dasjenige
hervorzubringen, was ein Volk zur Nation macht: das Nationalbewußt-
sein. Das Entscheidende liegt also nicht in objektiven Tatsachen und Ver-
hältnissen, wie Rasse-, Sprach-, Religionsgemeinschaft usw., sondern im Sub-
jektiven, in der Sphäre des Volksbewußtseins. Das Volk ist eine Nation,
welches das Bewußtsein seiner selbst, seiner Eigenart und Einheit hat,
welches eine Nation sein will. „L’existence d’une nation“, sagt
Renan (Qu’est-ce qu’une nation [1882] 27) in echärfster Formulierung dieser
Auffassung, est un plebiscite de tous les jours.“ Das Nationalbewußtsein
ist für den Begriff der Nation erforderlich und ausreichend; wodurch und
wie es entstand, ist gleichgültig. Sicherlich sind die oben erwähnten Fak-
toren nicht die einzigen, welche Nationalbewußtsein erzeugen können; hinzu-
zufügen wäre vor allem die nationalisierende Kraft der gemeinsamen poli-
tischen Organisation, des Staates: ein Staatsvolk, welches von Haus aus
keine Nation war, kann eine solche werden durch den festigenden Druck
der staatlichen Institutionen (Schweiz, Vereinigte Staaten von Nordamerika).
Solche Nationen, „die auf der vereinigenden Kraft einer gemeinsamen poli-
tischen Geschichte und Verfassung beruhen“, mag man mit Meinecke a.a.0. 2,3
Staatsnationen“ nennen“, im Gegensatz zu den auf „gemeinsam erlebtem
Kulturbesitz“ beruhenden „Kulturnationen“.
® Der Begriff „Gesellschaft“ ist namentlich entwickelt worden von
L. Stein, Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich 1 (1850) Ein-
leitung: „Der Begriff der Gesellschaft“. Ihm folgt im wesentlichen Gneist
in seinen verschiedenen Werken, namentlich in der Schrift: Der Rechtstaat,
2. Aufl. (1879) I ff. — Viel weiter faßt R. v. Mohl (Enzyklopädie 8 6 un
Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften [1855] 1 69 ff.) den Be-
griff der Gesellschaft: Er nennt alle aus einem gemeinsamen Interesse sich
entwickelnden menschlichen Gemeinschaften, einerlei, ob sie eine Organi-
sation besitzen oder nicht, gesellschaftliche Lebenskreise und den
Inbegriff aller in einem bestimmten Umkreise (in einem Staate, in einem
Weltteile) tatsächlich bestehenden gesellschaftlichen Gestaltungen: Gesell-
schaft. Aus der neuesten Literatur: Rehm, Staatsl. 284; Jellinek, Staatsl. 84 ff.;
G. Rümelin, Uber den Begriff der Gesellschaft und einer Gesellschaftslehre,
Reden und Aufsätze 8 248; Kistiakowski, Gesellschaft und Einzelwesen (1899);
Gothein, Gesellschaft und Gesellschaftswissenschaft. Handw. d. Staatsw. (3. A.)
4 680; Simmel in SchmollersJ. 20 575; Spann, Untersuchungen über den Ge-
sellschaftsbegriff in der 4 StaatsW. 59 574.
* Völlig verkannt ist dies von H. Rösler, Lehrbuch d, deutsch. Ver-
waltungsrechtes 1 (1872) 3 2, der den „Rechtsbegriff der Gesellschaft“ zur
Grundlage des sogenannten sozialen Verwaltungsrechtes machen will. —
1 a egen auch Laband (2. Aufl) 1 98 N. 1 und Rosin, Ann.D.R.
5 Die Notwendigkeit des Gebietes als Merkmal des Staatsbegriffs ist
heute nahezu unbestritten. Vgl. Rehm, Staatsl. 36, der die vereinzelten ab-
weichenden Meinungen (Curtius, Bruno Schmidt, v. Treitschke) angibt;
Jellinek, Staatsl. 404; Anschütz, Enzyklop. 6; G. Seidler, Das jurist.
Kriterium des Staates (1905) 37, 59 ff. Affolter, Ann.D.R. (1903) 116 will das
„festbegrenzte Gebiet“ nur als eine „regelmäßig auftretende Eigenschaft
wenn auch nicht des Staates überhaupt, so doch des modernen Staates“
gelten lassen.