Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

228 Zweiter Teil. Einleitung. $ 71. 
auch als Provinz des Reiches? bezeichnet wird. Es besitzt 
keine von dem Reiche unabhängige Staatsgewalt, sondern die 
Staatsgewalt über Elsaß-Lothringen steht dem Reiche zu. Die 
Verwaltung von Elsaß-Lothringen wird durch Reichsbeamte ge- 
führt. Die Verfassung des Reichslandes ist durch Reichsgesetze 
geregelt. Elsaß-Lothringen hat überhaupt keine eigene Gesetz- 
gebung; die elsaß-lothringischen „Landes“-Gesetze sind Reichs- 
gesetzeo®. 
4. Die Gliederung der einzelnen Staaten ist je nach 
ihrer Größe verschieden. Die unterste Stufe bilden überall die 
Gemeinden; sie haben stets eine Organisation als Kommunal- 
verbände. Zwischen ihnen und dem Staate bestehen Ab- 
teilungen, welche unter der Bezeichnung: Kreise, Bezirke, 
Provinzen vorkommen und teils den Charakter bloßer Staats- 
bezirke, teils den von Kommunalverbänden besitzen. Die 
Kommunalverbände stehen unter der unbeschränkten Herrschaft 
des Staates. Ihre Verfassung beruht in allen wesentlichen Punkten 
auf staatlichen Gesetzen. Nur die Regelung untergeordneter Fragen 
ist ihrer eigenen Autonomie überlassen. Sie besitzen Verwaltungs- 
funktionen, deren Ausübung sich aber nach den Gesetzen des 
? Dabei muß das Wort „Provinz“ aber in dem Sinne verstanden 
werden, wie es $ 10 Anm. 4 S. 36 erläutert ist, also dem entsprechend, wag. 
in der daselbst zitierten Abhandlung von Jellinek als „Staatsfragment“ oder 
Land“ bezeichnet wird. [Wie im Text ferner: Loening, Lehrbuch des 
eutschen Verwaltungsrechts 77 und Grundzüge der RV. 122ff.; H. Schulze, 
Deutsches Staatsr. 2 374; Preuß, Gemeinde, Staat, Reich (1889) 415.) 
8 E. Loening, Die Verwaltung des General-Gouvernements im Elsaß 
Gtraßibur 1874) 188, Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts 77; Laband, 
taatsrecht des Deutschen Reiches ($ 67) 2 211 ff., Kl. A. 182ff.; Haenel, 
Deutsches Staatsr. 1 823ff. — Seydel, 2.StaatsW. 28 251ff. und Kommentar 39 
zu Art. 1 Nr. III erklärt Elsaß-Lothringen für einen Staat, von seinem 
Standpunkte durchaus folgerichtig, da er dem Reiche den Charakter eines. 
Gemeinwesens abspricht. Auch Leoni, Öffentliches Recht von Elsaß- 
Lothringen 1 5ff. und Rosenberg, Die staatsrechtliche Stellung von Elsaß- 
Lothringen 8ff. wollen das Reichsland als Staat angesehen wissen, ebenso 
Rehm, Allgem. Staatsl. 161 ff., 165 ff. Dieser Auffassung steht aber der Um- 
stand entgegen, daß Elsaß-Lothringen keine selbständige Staatsgewalt, keine 
auf eigener Festsetzung beruhende Verfassung und keine eigene Gesetz- 
gebung besitzt. Die Hoheitsrechte über das Reichsland werden durch Reichs- 
organe ausgeübt. Allerdings ist in einzelnen Beziehungen dem Elisaß- 
Lothringischen Landesausschusse eine Mitwirkung eingeräumt; aber die 
Befugnisse desselben gehen über dasjenige Maß von Rechten nicht hinaus, 
welches einer provinziellen Vertretung zustehen kann. [Rosenberg hat später 
seine Ansicht geändert; in Ann.D.R. (1908) 481, 482 führt er die früher auch 
von ihm vertretene Auffassung des Reichslandes als Staat unter den von 
ihm reprobierten Meinungen an. Er bält jetzt, a. a. O. 664 ff., dafür, daß 
die rechtliche Stellung Elsaß-Lothringens im Reiche derjenigen entspreche, 
welche die nordamerikanischen Territorien in der Union einnehmen. An 
der Auffassung des Textes muß auch nach dem Gesetz über die Verfassung 
Elsaß-Lothringens vom 31. Mai 1911 (unten $ 138) festgehalten werden. 
Vgl. Laband, St.R. 2 231 ff.; Alfred Schulze, Die Verfassung und das Wahl- 
esetz für Elsaß-Lothringen (1911) 13. A. M. Nelte im Arch.Üff.R. 28 45 ff.; 
nschütz, Enzykl. $ 24.)
	        
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