Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

230 Zweiter Teil. Einleitung. $ 72. 
2. Quellen des deutschen Staatsrechts. 
8 72. 
Die Quellen des deutschen Staatsrechts zerfallen in gemeine 
Quellen, d. h. solche, welche für ganz Deutschland, und in 
partikuläre Quellen, d.h. solche, welche nur für einen Teil 
von Deutschland Gültigkeit haben. 
Die einzelnen Quellen sind folgende: 
I. Gesetze. 
Zu diesen gehören: 
l. Gesetze aus älterer Zeit, nämlich Gesetze des alten 
Deutschen Reiches, Grundverträge und Beschlüsse des ehemaligen 
Deutschen Bundes. Die alten Reichsgesetze waren gemeines 
Recht, weil sie von einer gesetzgebenden Gewalt ausgingen, welche 
die Befugnis besaß, für ganz Deutschland unmittelbar verbindliche 
Verfügungen zu erlassen. Durch die Auflösung des Deutschen 
Reiches verloren sie ihre Gültigkeit nur insoweit, als das Objekt 
ihrer Bestimmungen wegfiel, also soweit sie sich auf das Reich 
selbst, insbesondere auf seine Verfassung (z. B. auf den Reichstag) 
bezogen, [während sie im übrigen (z. B. soweit sie Rechtsverhält- 
nisse innerhalb der Territorien regelten; man denke etwa an die 
Bestimmungen der Goldenen Bulle über die Thronfolge in den 
Kurfürstentümern, des Westf. Friedens über die Beschränkungen 
des landesherrlichen ius reformandi) ihre Geltung auch nach Unter- 
gang des Reiches behaupteten]. Bei der völligen Neugestaltung 
der staatsrechtlichen Verhältnisse im Laufe des 19. Jahrhunderts 
hat aber das alte Reichsrecht fast alle praktische Bedeutung ver- 
loren. Die Verträge und Beschlüsse des Deutschen Bundes 
sind ebenfalls hinfällig geworden, soweit sie den Bund selbst be- 
trafen; dagegen sind diejenigen Bestimmungen, welche sich auf 
die inneren Verhältnisse der Einzelstasten bezogen, durch die 
Auflösung des Bundes nicht berührt worden. Diese sind aber 
niemals gemeines Recht gewesen, weil der Bund eine unmittel- 
bar gesetzgebende Gewalt für Deutschland nicht besaß. Sie 
galten in den einzelnen deutschen Staaten kraft ihrer Publikation 
von Landes wegen, also als Landesrecht!. Es hatten nur die 
Regierungen der Staaten dem Bunde gegenüber die Verpflich- 
tung, sie bei sich einzuführen bzw. aufrechtzuerhalten. Diese 
entgegenzuhbalten, daß nach Völkerrecht die Gebietserwerbungen nicht bloß 
Willenserklärungen, sondern tatsächliche Besitznahme cer- 
fordern, daß also, solange letztere nicht erfolgt ist, von einer rechtlichen 
Herrschaft nicht die Rede sein kann. 
1 Übereinstimmend: H. A. Zachariä, Art. „Deutsches Staatsrecht“ im 
Staatswörterbuch 2 741 N. 7; Held, Verfassungsrecht ($ 13) 1 24; Laband, 
Staatsrecht 1 9, Kl. A. 3; Stobbe, Deutsches Privatrecht 1 71ff. — Für ge- 
meines Recht erklären sie v. Gerber, Einleitung ($ 5) 9 N. 1; H. Schulze, 
Einleitung $ 8 und Z. f. deutsch. Staatsr. (1867) 429 u. 430 N. *,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.