202 Zweiter Teil. Erstes Buch. $ 80.
allen denjenigen Gebieten, welche ihrer Gesetzgebung unterstehen,
befugt ist, sich Verwaltungsbefugnisse oder Funktionen der Justiz
beizulegen !. Doch ist keineswegs das in den Vereinigten Staaten
bestehende Prinzip durchgeführt, daß das Reich die Ausführung
aller von ihm erlassenen Gesetze durch seine eigenen Organe über-
nimmt. Vielmehr liegt die Ausführung der Reichsgesetze im all-
gemeinen in den Händen der Einzelstaaten.
II. Die Verwaltung des Reiches umfaßt folgende Gegen-
stände:
1. die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten !?,
Das Reich hat das alleinige Recht, Krieg zu erklären und
Frieden zu schließen !®. Es ist ausschließlich befugt, bei der Ord-
nung rein auswärtiger Angelegenheiten, z. B. allgemeiner euro-
11 [Diese Ansicht G. Meyers ist durchaus bestritten] A. M. namentlich
Haenel, Deutsch. Staatsr. 1 233 ff., 328, der die Abgrenzung der Ver-
waltungskompetenz zwischen Reich und Einzelstaaten für einen Ver-
fassungsgrundsatz erklärt und daher für jede Erweiterung der Reichs-
kompetenz auf den Gebieten der Rechtspflege und Verwaltung eine Ab-
änderung der Reichsverfassung fordert. Die Reichsverfassung hat
nun allerdings dem Reiche einzelne Verwaltungstätigkeiten zugewiesen, sie
enthält aber keine Bestimmung, aus der geschlossen werden könnte, daß die
in der Verfassung erwähnten die einzigen Verwaltungsfunktionen des
Reiches sein sollen. Da nun außerdem in dem Rechte der Gesetzgebung
auch die Befugnis liegt, über die Ausübung der Verwaltungstätigkeiten Be-
stimmungen zu treffen, so muß das Reich kraft seiner Gesetzgebungsgewalt
für berechtigt erachtet werden, die Verteilung der Verwaltungsfunktionen
zwischen sich und den Einzelstaaten zu regeln. Aus der Entstehungs-
eschichte ist eine gegenteilige Auffassung gleichfalls nicht zu entnehmen.
ie Verhandlungen über die Erfurter Unionsverfassung, welche Haenel zur
Erörterung der Frage heranzieht, beweisen nur, daß man damals die Absicht
hatte, die Zentralgewalt auf Gesetzgebung und Oberaufsicht zu beschränken,
dagegen von der Verwaltung möglichst fern zu halten. Dieser Grundsatz
ist auch bei Begründung des Reiches und bei der fortschreitenden Gesetz-
gebung desselben im allgemeinen maßgebend geblieben. Für die Frage aber,
ob eine etwaige Erweiterung der Verwaltungskompetenz des Reiches im
Wege der einfachen Gesetzgebung erfolgen kann oder ob es dazu einer
Verfassungsänderung bedarf, ist aus jenen Verhandlungen durchaus nichts
zu entnehmen. Übereinstimmend: Zorn, Kommentar zur Reichsverfassung,
zu Art. 4 N. 1; Reichsstaatsr. 1 113 ff., 133 ff. — [Die Haenelsche Auf
fassung ist die gegenwärtig herrschende, Sie wird gebilligt von v. Seydel,
Komm. z. RV. 53ff.; Graßmann, Ann.D.R. (1898) 135 ff.; Loening, Grund-
züge 102f.; Anschütz, Enzykl. 71; v. Jagemann, Die deutsche RV., Vor-
träge, 68; Triepel a. a. O. 290, 291.) .
18 Vgl. vor allem Haenel, Staatsr. 1 531 ff.; ferner: E. Meier, Über den
Abschluß von Staatsverträgen (1874); M. Proebst, Der Abschluß völker-
rechtlicher Verträge durch das Deutsche Reich und dessen Einzelstaaten,
in Ann.D.R. (1882) 241 fi.; H. Tinsch, Das Recht der deutschen Einzel-
staaten bezüglich des Abschlusses völkerrechtlicher Verträge mit besonderer
Berücksichtigung ihrer Stellung im Reiche, Erlangen 1882; G. Prestele,
Die Lehre vom Abschluß völkerrechtlicher Verträge durch das Deutsche
Reich and die Einzelstaaten des Reiches, München 1882; Anschütz, Enzykl.
170, .
18 RV. Art.11. Brie, Theorie der Staatenverbindungen 107 N. 5 meint,
das Kriegsrecht sei den Einzelstaaten nicht entzogen, sondern nur die Aus-
übung desselben unmöglich gemacht.