272 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 84.
Allerdings nimmt er im Staate eine hervorragende, einzigartige
Stellung ein. Er erscheint als oberstes Organ, als Träger der
Staatsgewalt®. Auf seine Organstellung und die mit derselben
verbundenen Kompetenzen hat der Monarch ein subjektives Recht.
Aber diese Kompetenzen selbst (die „Regierungsrechte“, z. B. das
Recht, Gesetze zu sanktionieren, Verordnungen zu erlassen, Staats-
verträge abzuschließen) gehören nicht ihm, sondern dem Staate.
Wenn der Monarch regiert, übt er nicht sein Recht, sondern
Rechte des Staates, also nicht eigenes, sondern fremdes Recht aus.
Der Monarch vereinigt in seiner Person die gesamte Staats-
gewalt, d.h. er übt alle Funktionen der Staatsgewalt aus, welche
und soweit sie nicht anderen Organen durch Verfassung und Ge-
setz übertragen sind. Dieser Grundsatz ist in den Verträgen des
trüheren Deutschen Bundes’, unter deren Herrschaft die Ver-
fassungen der deutschen Staaten entstanden sind, und in dem
größten Teil der Verfassungen selbst? ausdrücklich ausgesprochen.
Derselbe Gedanke liegt aber auch denjenigen Verfassungen zu-
grunde, welche ihn nicht in ausdrücklicher F'ormulierung ent-
halten®, Die Auffassung des Monarchen als Inhaber der gesamten
® Über die Bedeutung und Notwendigkeit dieses Begriffes für das
deutsche Staatsrecht vgl. ($ 5) S. 19 ff, Anm. a u. 13. Der Monarch, wenn auch
Träger der Staatsgewalt, ist aber doch keineswegs mit dem Staate
identisch, wie Bornhak, Preuß. Staatsr. (1. Aufl.) 1 123 (in der 2. Aufl.
1 132 sind die betreffenden Ausführungen etwas modifiziert) meint, oder
einziges Organ desselben, wie Rieker, Die rechtliche Natur der modernen
Volksvertretung, Leipzig 1893 (Sonderabdruck aus Z. f. Literatur u. Geschichte
d. Staatswissenschaften 2 1) S. 40 behauptet. Diese Ansichten sind ganz
willkürlich, und es ist nicht einmal ein ernstlicher Versuch gemacht
worden, sie zu begründen. Derartige Übertreibungen des monarchischen
Prinzips können diesem selbst nur zum Schaden gereichen. Auch die Be-
zeichnung des Monarchen als wahrer Volksvertreter (Rieker a. a. O. 60) kann
man höchstens in dem Sinne gelten lassen, daß der Monarch politisch die
Verpflichtung bat, das Wohl des gesamten Volkes, nicht einzelner Stände
oder Klassen desselben, zu fördern; staatsrechtlich ist sie dagegen ohne
jeden Wert.
? WSA. Art. 57. BB. vom 28. Juni 1832 Nr. I.
8 Bayr. Verf. Tit. II W 1, Sächs. Verf. 8 4, Württ. Verf. $ 4. Bad. Verf.
8 5, Hess. Verf. Art. 4, S.-Mein. GG. Art. 3, S.-Altenb. GG. 8 4, S.-Kob.-Goth.
StGG. 8 3, Braunschw. N. LO. $ 3, Old. StGG. Art. 48 2, Schw.-Sondh. LGG.
$ 8, Schw.-Rud. GG. $ 1, Reuß j. L. Verf.-G. vom 20. Juni 1856 $ 5, Wald.
Verf. $ 3, Schaumb.-Lipp. Verf. Art. 5.
’» Namentlich der preußischen Verf. Dies geht schon aus der Fassun
der Art. 45 („dem König allein steht die vollziehende Gewalt zu“), 62
(„die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und
zwei Kammern ausgeübt) und 86 („die richterliche Gewalt wird im
Namen des Königs ausgeübt“) hervor. Die Auffassung des Königs als
Trägers der Staatsgewalt entspricht aber auch allein der historischen Stellung
des preußischen Königtums. Vgl. E. A. Chr., Studien über das preußische
Staatsrecht, Z. f. deutsch. Staatsr. 1 199 ff.: H. Schulze, Preußisches Staats-
recht 1 8$ 43 u. 47, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts (3_ 82) 1 187,
Preußisches Staatsrecht in Marquardseus Hand). 31; v. Rönne, Preußisches
Staatsrecht 63 30 u. 37) 1 134, 151; Zorn in der 5. Aufl. desselb. ($ 1) 1 7,
($ 12) 204; E. Loening, Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts (5 7) 29
N.1; Arndt, Preuß. Verfassungsurkunde, Einl. 34 ff. und Vorbem. zu Tit. III;