276 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 84,
Jedoch wird die Klage in der Regel formell nicht gegen den
Monarchen, sondern gegen den landesherrlichen Fiskus oder die
Zivilliste gerichtet.
Damit aber für die staatlichen Akte des Monarchen ein ver-
antwortlicher Träger existiert, haben die neueren Verfassungen
vorgeschrieben, daß jede Regierungshandlung der Gegenzeich-
nung (Kontrasignatur) durch einen verantwortlichen
Minister oder einen gleichstehenden hohen Staatsbeamten (De-
partementschef) bedarf!®. Der Mangel der Gegenzeichnung macht
den betreffenden Akt ungültige. Eine solche Gegenzeichnung war
des Rechtsweges nicht von seiner eigenen Einwilligung abhängig gemacht
werden darf. Die Schriftsteller haben sich ebenfalls meist für Unterwerfung
des Landesherrn in vermögensrechtlichen Streitigkeiten unter die ordentlichen
Gerichte seines Landes ausgesprochen. H. A. Zachariä, St.R. ($ 176) 2 255 ff;
v. Gerber, Einleitung ($ 26) 82; H. Schulze, Lehrbuch des deutschen Staats-
rechtes ($ 83) 1 188, Deutsches Fürstenrecht, in v. Holtzendorffs Enzyklopädie
der Rechtswissenschaft (5. Aufl. Anhang) 1349; Laband, Staatsrecht des
Deutschen Reiches 8 393, 394: Seydel-Pi £ Bayrisches Staatsrecht 1 90;
Franken, Deutsches Privatrecht 84; Brie, Art. „Landesherr“ in v. Stengel-
Fleischmanns Wörterbnch 2 715; Rehm, Mod. Fürstenrecht 117ff. Anderer
Ansicht: Wetzell, Ayatem des ordentlichen Zivilprozesses (3. Aufl.. Leipzig
1878) $ 39 N. 12. — Über die Frage, wie weit der Landesberr vor den Gerichten
eines anderen Staates zu Recht steht, vgl. Tbudichum in Ann.D.R. (1885)
320 fl.: Loening, Die Gerichtsbarkeit über fremde Staaten und Souveräne
(Hestgabe der Hall. Juristenfakultät für H. Fitting, 1903); Rebm, Modernes
ürstenrecht 450 fl.
18 Preuß. Verf. Art. 44, Bayr. G., die Verantwortlichkeit der Minister
betr., vom 4. Juni 1848 Art. 4-6, Sächs. Verf. $ 48, Württ. Verf. $ 51, Bad.
Verf. $ 67 in der Fassung vom 20. Februar 1868 Art. II $ 67 g, Hess. Verf.
Art. 109 und Hess. G. über die Verantwortlichkeit der Minister und der
obersten Staatsbeamten vom 5. Juli 1821, Hess. G., die Verantwortlichkeit
der höchsten Staatsbehörden betr., vom 8. Januar 1824, S.-Weim. Rev. GG.
47, S.-Mein. GG. Art. 102 und 108, 8S.-Alt. GG. 8 36, S.-Kob.-Gotha StGG.
167, Braunschw. N. LO. 88 155 u. 156, Old. StGG. Art. 12 $ 3, Schw.-Sond.
. GG. 88 11 u. 12, Schw.-Rud. GG. 8 5, Reuß j. L. 8 107 in der Fassung
des Verf.-G. vom 20. Juni 1856, Wald. Verf. $5, Schaum ’g.-Lipp- Verf. Art. 6,
ar 7 L, Verf. $ 36. — Vgl. im übrigen $ 184 ff. und die Literaturangaben
zu .
° So die herrschende Meinung. Dabei wird „ungültig“ meistens im
Sinne von „nichtig“ verstanden. Gegen diese Meinung ın eingehenden Dar-
legungen Frhr. Marschall v. Bieberstein, Verantwortlichkeit und Gegen-
zeichnung 498 ff., dessen eigene Ansicht dahin geht: der unkontrasignierte
Akt des Monarchen ist unrechtmäßig, aber nicht ungültig, sondern nur „un-
vollziehbar“; d. b. er darf von solchen Organen, denen ein Recht der Prüfung
der von ihnen zu vollziehenden Befehle zusteht, nicht ausgeführt werden.
Vollgültig seien Befehle, welche keines Vollzuges bedürfen, vollziehbar auch
ohne Gegenzeichnung solche, welcbe sich an Staatsorgane richten, die —
wie vor allem die Personen des Soldatenstandes — unter Ausschluß jedes
Prüfungsrechtes zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet sind. — Das Wesent-
liche dieser Ausführungen, d. h. der Satz, daß unkontrasignierte Akte des
Monarchen nicht schlechthin und ohne weiteres nichtig sind, ist zutreffend.
Welche Rechtswirkungen aber mit solchen Akten verbunden sind, bzw. ver-
bunden sein können, wäre (trotz Marschall, a. a. O. 527 ff.) noch genauer zu
untersuchen; es müßte insbesondere gefragt werden, inwieweit die für die Aus-
führung der verschiedenen Arten monarchischer Akte in Betracht kommenden
Organe zur Prüfung und eventuellen Gehorsamsverweigerung befugt sind.