300 Zweiter Teil, Zweites Buch. $ 89.
gegenstehendes Herkommen des betreffenden Fürstenhauses aus-
geschlossen ®, Dies ist namentlich für die früher neufürstlichen
und reichsgräflichen Häuser von Wichtigkeit, welche, namentlich
im 17. und 18. Jahrhundert regelmäßig einer milderen Auffasssung
folgten und Ehen mit Damen von altem Adel für ebenbürtig
hielten ®,
Die Folge einer nicht ebenbürtigen Ehe ist die
Sukzessionsunfähigkeit der daraus hervorgegangenen Deszendenz.
In früherer Zeit galt der Grundsatz, daß mit Zustimmung aller
Agnaten einer Mißheirat die Wirkung einer ebenbürtigen Ehe bei-
gelegt, die daraus entsprossenen Personen also für sukzessionsfähig
erklärt werden könnten. Derselbe entsprach einer Staatsauffassung,
nach welcher die Sukzession eines unebenbürtigen Sprosses eine
Verletzung der wohlerworbenen Rechte der Agnaten war, und
welche das Thronfolgerecht, einschließlich der Ebenbürtigkeit als
rein dynastische, lediglich der Familienautonomie, nicht aber der
Landesgesetzgebung unterliegende Angelegenheiten behandelte 2°.
Nach heutiger Anschauung stehen aber einer solchen Nachfolge nicht
subjektive Ansprüche, sondern objektive Rechtssätze entgegen. Um
unebenbürtige Deszendenz für sukzessionsfähig zu erklären, genügt
daher nicht eine Einwilligung der Agnaten?!, sondern es ist ein
Akt der Gesetzgebung, und zwar, je nachdem die Feststellung der
Ebenbürtigkeit durch die Verfassung oder durch Hausgesetze er-
folgt ist, ein Akt entweder der Verfassungs- oder der Hausgesetz-
gebung erforderlich2®, Bei der letzteren findet allerdings, soweit
ı8 H. A. Zachariä, St.R. ($ 68) 1 359 N. 8; H. Schulze, Preußisches
Staatsrecht $ 57, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts ($ 96) 1 222; v. Gerber,
Deutsches Privatrecht $ 224 N. 7; Gierke, D. Priv.-R. 1 404. Da demnach
allgemein anerkannt ist, daß über die Ebenbürtigkeit in erster Linie die
Hausgesetze oder das Herkommen des einzelnen Fürstenhauses entscheiden.
so spitzt sich die Streitfrage wesentlich dahin zu, ob die Vermutung
für oder gegen das Erfordernis der Ebenbürtigkeit spricht. Völlig ver-
kannt ist dies in der Schrift des Frhr. v. Weyhe-Eimke, Die rechtmäßigen
Ehen des hohen Adels des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation,
rag .
19 [Daß dieser Auffassung des Reichsgrafenstandes, welche zu alten
Reichszeiten unzweifelhaft als gemeines Recht für diesen Stand gegolten
hat (vgl. hierüber Anschütz, Fall Friesenhausen 112 ff.), auch heute noch
vielfach gemeinrechtliche Geltung vindiziert wird, ist oben, S. 297 Note ec
zu 8, erwähnt.
20 Del nschütz, Fall Friesenhausen 85 ff.]
21 Dies wird auch jetzt noch von der Mehrzahl der Schriftsteller an-
enommen. Göhrum a. a, O. 2 398; Heffter, Sonderrechte $ 64; Zöpfl, St.R.
($ 226) 1 688; v. Gerber, Grundzüge ($ 30) 94; H. Schulze, Lehrbuch des
eutschen Staatsr. ($ 96) 1 223; E. Meier in v. Holtzendorffs Rechtslexikon
8 884; v. Kirchenheim, Lehrb. d. deutsch. Staatsr. 191; Gierke, Deutsches
Privatrecht 1 404; Cosack, Staatsr. d. Großherzogt. Hessen 9 (gegen letzteren:
Schücking, Die Nichtigkeit der Thronansprüche usw. 64).
22 [Rehm, Mod. Fürstenr. 186 hält zur Heilung von „Erwerbsmängeln“,
d.h. von Mängeln, die dem Erwerb der Hausmitgliedschaft und Sukzessions-
fähigkeit entgegenstehen, stets einen Akt der Haus- und der Staatsgesetz-
gebung für erforderlich. Nach seinen Anschauungen vom Wesen des I'hron-