Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe. $ 90. 303 
8 90. 
Nach dem Aussterben der durch Verwandtschaft zur Thron- 
folge berufenen Personen kann eine Sukzession kraft Erbver- 
trages oder Erbverbrüderung stattfinden. Die Erbverträge 
und Erbverbrüderungen unter den deutschen Fürstenhäusern ver- 
danken ihre Entstehung zwar der privatrechtlichen Auffassung, 
welche in den deutschen Territorien zur Reichszeit vorherrschte. 
Aber die in den staatlichen Anschauungen vor sich gegangene 
Umbildung hat nicht ihre Aufhebung zur Folge gehabt, sondern 
nur den ursprünglich privatrechtlichen Titel in einen staatsrecht- 
lichen verwandelte Auch durch die Auflösung des Reiches sind 
die Vereinbarungen nicht berührt worden!. In den neueren Ver- 
fassungen haben sie zum Teil eine ausdrückliche Bestätigung 
gefunden, ja es ist sogar den Erbverbrüderten oft ein Vorzug vor 
den Kognaten des Hauses eingeräumt worden?, Aber auch das 
Stillschweigen der Verfassungen bedeutet die Fortdauer der be- 
stehenden Erbverträge. Eine Aufhebung derselben würde einen 
zur Zuchthausstrafe und richterlicher Aberkennung der bürgerlichen Ehren- 
rechte.“ — Der, von Rehm übrige 8 garnicht angetreteng Beweis, daß der 
Gesetzgeber der $$ 31, 33 StGB. unter „öffentlichen Amtern“ auch die 
Thro olgefähigkeit hat mitverstanden wissen wollen, dürfte schwerlich 
gelingen. 
1 Hierin stimmen fast alle neueren Schriftsteller überein. H. A. Zachariä. 
St.R. 8 74) 1 380ff.; Zöpfl, St.R. ($ 255) 1 721; Held, System ($ 341) 2 258; 
Grotefend, St.R. 8 381; v. Gerber, Grundzüge ($ 29) 91; H. Schulze, Preuß. 
Staatsrecht $ 59, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts (3 102) 1 240, Deutsches 
Fürstenrecht 1371; Rehm, Mod. Fürstenr. 44ff., 49 ff. und sonst. And. Ans.: 
Seydel, Bayrisches Staatsrecht (2. Aufl.) 1 194, der den Erbverträgen alle 
rechtliche Wirkung abspricht und nur politische Bedeutung zuerkennt 
(diese Ansicht ist in die Pilotysche Neubearbeitung des Seydelschen Staats- 
rechts nicht übernommen worden; vgl. v. Seydel-Piloty 1 97 Anm, 4), — 
Eine Übersicht der für Deutschland wichtigen Erbverbrüderungen gibt 
H. A. Zachariä a. a. O. 381 N. 2 — Über die Erbverbrüderung zwischen 
den Häusern Brandenburg, Sachsen und Hessen vgl. v. Rönne-Zorn, Preuß. 
Staatsrecht 1 221, 222; H. Schulze, Preußisches Staatsrecht $ 59; Opitz, 
Sächsisches Staatsrecht 1 132ff.; E. Loening, Die Erbverbrüderungen zwischen 
den Häusern Sachsen und Hessen, und Sachsen, Brandenburg und Hessen, 
Frankfurt a. M. 1867; Bornhak, Preußisches Staatsrecht 1 187 und in 
Ann.D.R. (1904) 415 ff., welche die Fortdauer ihrer Wirksamkeit bezweifeln. 
Dasselbe tut Graßmann im Arch.Off.R. 6 499; v. Stengel, Preuß. Staatsrecht 43; 
Arndt, Komm. z. preuß. VU. (zu Art. 53 Anm. 2) 217; Schwartz, Komm. 152; 
Anschütz, Enzyklop. 132. [Dagegen hebt Cosack, Hessisches Staatsr. 11 aus- 
drücklich die Gültigkeit hervor. Ihm folgt Rehm a. a. 0. 49 ff. (s. u, Note 3). 
Gegen beide wiederum van Calker, Hess. Staatsr. 26 ff.; O. Mayer, Sächs, 
Staatsr. 57ff.; M. Lorenz, Die fortdauernde Gültigkeit der von dem Hohen- 
zollernschen Hause abgeschlossenen Erbverbrüderungen (Bresl. Diss. 1912) 87 ff. 
Der Streit um die heutige Gültigkeit der in Rede stehenden Erbverbrüderung 
erledigt sich, wenn man mit Loening a. a. O. (dem von Caemmerer in den 
Forsch. z. brandenburg. u. preuß. Geschichte 36 323, 324 zustimmt) annimmt, 
daß die Erbverbrüderung von den Kontrahenten nicht ratifiziert worden ist, 
also verbindliche Kraft niemals besessen hat. Ein Abdruck der wichtigeren 
Urkunden bei H. Schulze, Hausgesetze 2 36 ff.) 
® Bayr. Verf. Tit. II $$ 4 u. 5, Sächs. Verf, $ 7, Hess, Verf, Art. 5,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.