306 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 91.
Regierung kein Privatrecht des Monarchen ist, so darf der Verzicht
nicht zugunsten einer bestimmten Person, auch nicht auf Zeit,
Bedingung oder Widerruf erfolgenb. Der Verzicht ist eine Privat-
willenserklärung, kein Regierungsakt, erfordert also auch keine
Gegenzeichnung eines Ministers®. Die Folge der Entsagung ist die
Erledigung des Thrones und der Eintritt des nächsten Sukzessions-
berechtigten. Die vor der Thronentsagung geborene Deszendenz
behält ihr Sukzessionsrecht, aber auch die nach dem Verzicht
vertretene (vgl unten $ 92) Monarch durch ein von dem Regenten mit Zu-
stimmung des Landtags, nötigenfalls in den Formen der Verfassungsänderung
erlassenes Landesgesetz entthront werden dürfe, wurde früher meist be-
stritten, bejaht jedoch von Rehm a. a. O0. 300ff., 423; Anschütz, Enzykl. 133,
in der DJZ. 18 1285 und in der Berliner Vossischen Ztg. 1912, 19. Dezbr.;
J. Freund, Die Regentschaft nach preuß. Staatar. 83; Dyroff in Ann.D.R.
(1904) AOLff.; Walz, Bad. Staatsr. 45. Einen schwerwiegenden Präzedenzfall
für diese Art der Entthronung bildet die Beendigung der von 1886-1913 in
Bayern, zuerst für den König Ludwig II, dann für den König Otto geführten
Regentschaft. Das Gesetz über die Regentschaft vom 4. Nov. 1913 (Bayr.
G.- u. V.-Bl. 757) bestimmt, in Ergänzung des Tit. II $ 21 der bayr. Verf.-
Urk.: „Ist die Reichsverwesung wegen eines körperlichen oder geistigen Ge-
brechens des Königs, das ihn an der Ausübung der Regierung hindert, ein-
etreten und besteht nach Ablauf von zehn Jahren keine Aussicht, daß der
Onig regierungsfähig wird, so kann der Regent die Regentschaft
für beendigt und den Thron für erledigt erklären. Der Landtag
ist unverzüglich einzuberufen; es sind ihm die Gründe, aus denen sich die
dauernde Regierungsunfähigkeit ergibt, zur Zustimmung anzuzeigen.“ Auf
Grund dieser gesetzlichen Ermächtigung erklärte der Regent Prinz Ludwig
den Thron für erledigt, d. h. den geisteskranken Inhaber desselben, König
Otto, für abgesetzt, und wurde König. Über anderweite Vorschläge diese
Regentschaft zu beendigen vgl. Anschütz, DJZ. 18 1281 ff, und die dort
angegebene (noch vollständiger von Menner, Ann.D.R. (1918) 642 ff. zitierte)
Literatur.
b „Der Thronverzicht verträgt im allgemeinen keine Nebenbestimmungen.
Insbesondere können ihm keine Vorbehalte oder auflösende Bedingungen bei-
gefügt werden. Zulässig sind aufschiebende Bedingungen oder Befristungen,
denn diese schaffen keinen Schwebezustand, sie sind nichts anderes als Be.
stimmungen über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verzichtserklärung.
Die unzulässigerweise beigefügte Nebenbestimmung ist nichtig; es fragt sich,
ob sie zugleich die ganze Erklärung nichtig macht, Man wird nach Analogie
des $ 139 BGB. entscheiden dürfen... Es muß also der einzelne Fall
daraufhin untersucht werden, ob die fragliche Nebenbestimmung als conditio
sine qua non gemeint ist: bejahendenfalls ist der Thronverzicht nichtig, im
Verneinungsfalle gilt die Nebenbestimmung als nicht geschrieben“: Anschütz,
Enzykl. 133. In der Grundauffassung übereinstimmend: v. Gerber, Grund-
züge 100 Anm. 2, Abweichend (dem Verzicht beigefügte Bedingungen gelten
stets Ge geschrieben): v. Frisch, Thronverzicht 1148. Abraham
a. a. 0. 88).
® Radnitzky, Parteiwillkür im öffentlichen Recht 20; Seydel-Piloty,
Bayr. Staatsrecht 1 101 Anm. 6; Jellinek, Ausgew. Schriften uud Reden
2 168; v. Frisch, Verantwortlichkeit 369 ff. und Thronverzicht 74 ff., 103; Rehm,
Mod, Fürstenrecht 431; O. Mayer, Sächs. Staater. 63 Anm. 4, Anschütz,
Enzyel. 133; Marschall v. Bieberstein, Verantwortlichkeit und Gegenzeichnung
536 N. 2113. Für die Notwendigkeit der Gegenzeichnung: v. Sarwey, Württ.
Staatsr. 1 75; Hauke, Geschichtliche Grundlagen des Monarchenrechts 136;
Göz, Württemb. Staatsr. 67; Kormann in der oben Anm. 1 zit. Abhandl. —
Eine Mittelmeinung bringt Abraham, Thronverzicht 61 ff.