Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

312 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 92. 
eines Agnaten sich im Zustande der Schwangerschaft befindet und 
erst durch ihre Niederkunft die Entscheidung über die Person des 
künftigen Monarchen erfolgt!’; — [oder wenn die Person des 
Monarchen sonstwie ungewiß ist, insbesondere im Falle eines 
Thronfolgestreites]. 
[Die Notwendigkeit der Regentschaft (der Regentschaftsfall) 
ist von den in der Verfassung bezeichneten Faktoren in dem 
vorgeschriebenen Verfahren formell festzustellen. ?*] Soweit nicht 
durch ein vorheriges Spezialgesetz besondere Fürsorge getroffen 
ist, liegt die Entscheidung entweder ausschließlich in den Händen 
des Landtages!’ oder es wird zu derselben ein übereinstimmender 
Beschluß der Agnaten und des Landtages !? oder der höchsten 
Staatsbehörde und des Landtages!® verlangt®®. 
15 [Diese Eventualität gilt unzweifelhaft überall als Regentschaftsfall, 
obwohl sie in den Verfassungen, mit Ausnahme allein des hessischen G,, 
die Regentschaft betr., vom 26. März 1902, als solcher nicht hervorgehoben 
wird. Nach Art. 1 des bezeichneten G. findet eine Regentschaft statt, 
wenn By Erledigung des Thrones die Person des Thronfolgers un- 
ewiß ist“, 
et Nach der preußischen Verfassung Art. 56 hat insbesondere auch im 
Falle der Minderjährigkeit des Königs der Landtag über die Notwendigkeit 
der Regentschaft zu beschließen. [Das Recht, aus besonderen Gründen, z.B. 
weil der Volljährigkeitstermin sehr nahe bevorsteht, von der Anordnung 
einer solchen abzusehen (so die Voraufl. $ 92 Anm. 16; ferner v. Rönne, 
Preußisches Staatsrecht ($ 47) 1 181 N. 6; J. Freund a. a. O. 24 ff.), steht ihm 
nicht zu. Richtig: Arndt, Komm. zu Art. 56 N. 5; Bornhak, Preußisches 
Staatsrecht 1 215; Hubrich, Preuß, Staatsr. 202; v. Stengel in Marquardsens 
Handb. 45; Schwartz, Preuß. Verfassungsurkunde 163; Zorn in der 5. Aufl. 
von v. Rönnes Preuß. Staatsrecht ($ 16) 1 235 N. 3, 236; Brie in WStVR,, 
Art. Regentschaft, 3 254.) 
17 Preuß. Verf. Art. 56 u. 57, Bayr. Verf. Tit. IL $ 11, Hess. G. vom 
26. März 1902 Art. 1 Abs. 3, S.-Mein. G. vom 9. März 1896 Art. 6, Wald. 
Verf. $ 22. — Die Berufung des Landtages erfolgt in Preußen durch den 
der Krone zunächst stehenden volljährigen Agnaten, nachdem dieser die 
Regentschaft übernommen hat. Analog sind die Bestimmungen der waldecki- 
schen Verfassung. In Hessen (vgl. das zit. G. von 1902) ist. die Initiative 
zur Einleitung der Regentschaft, insbesondere die Berufung der Stände- 
versammlung und die einstweilige Übernahme der Regierungsgeschäfte bis 
zur Beschlußfassung der Stände Sache des Staatsministeriums. In Bayern 
fehlt es an ausdrücklichen Festsetzungen darüber, wer zur Berufung der 
Stände befugt ist. Vgl. Poezl, Bayrisches Verfassungsrecht $ 152; Seydel- 
Piloty, Bayrisches Staatsrecht 1 117. 
18 Sächs, Verf. $$ 10 u. 11, Württ, Verf. $ 13 (nebst G. v. 15. Juli 1911), 
S.-Kob.-Goth. StGG. S$ 15 u. 16, Old. StGG. Art. 21, 23 u. 24. 
1 Reuß ä. L. Verf. 55 9 u. 10. 
3° [Die im Herzogtum Braunschweig von 1884—1913 geführte Regent- 
schaft beruhte auf dem G., die provisorische Ordnung der Regierungsverhält- 
nisse bei einer Thronerledigung betreffend, vom 16. Februar 1879. Sie ist 
durch den Umstand veranlaßt worden, daß der Herzog von Cumberland 
wegen der politischen Stellung, die er gegenüber Preußen und dem Deutschen 
Reiche einnahm, zum Antritt der Regierung im Herzogtum nicht zugelassen 
werden konnte. Über diese Regentschaft in Braunschweig vgl. insbesondere 
die Abhandlung von Kulemann, „Eine staatsrechtliche Neubildung“, im 
Arch.ÖfE.R. 16 485 ff., außerdem: Rhamm, Verfassungsgesetze des Herzogt. 
Braunschw. (2. Aufl. 1907); Derselbe, Braunschweig. Staater. 7, 8, 14, 15;
	        
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