334 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 96.
Der Landtag erscheint nicht als Mitträger der Staatsgewalt neben
dem Monarchen, sondern als ein beschränkender Faktor, an dessen
Mitwirkung dieser bei Ausübung bestimmter Funktionen gebunden
ist. Es stehen ihm daher nur diejenigen Rechtezu, welche
ihm ausdrücklich beigelegt sind!®. Aber seine Tätigkeit
ist keine rein negative, etwa nur darauf gerichtet, eine Verletzung
der Volksrechte zu verhüten!®. Er hat nicht bloß das Recht des
Widerspruches, sondern das der tätigen Mitwirkung bei der Er-
füllung der Staatsaufgaben. Aber seine Tätigkeit äußert sich nur
in der Fassung von Beschlüssen. Die Ausführung derselben liegt
in den Händen der Regierung, und ein Recht des Befehls oder
eine unmittelbare Zwangsgewalt steht dem Landtage nicht zu.
Nach den Verfassungen der deutschen Einzelstaaten ist also
zur Austibung der wichtigsten staatlichen Funktionen, Gesetz-
gebung, Budgetfeststellung, Abschluß gewisser völkerrechtlicher
Verträge, eine Vereinbarung zwischen zwei Faktoren, Monarch
und Landtag erforderlich. Diese Einrichtung schließt die Möglich-
keit einer ungelösten Disharmonie ein!’. Handelt es sich bei den
Differenzen nur um eine verschiedene Auslegung von Verfassungs-
artikeln, so können dieselben durch einen richterlichen Ausspruch
erledigt werden. Einzelne deutsche Verfassungsurkunden haben
auch in der Tat derartige Bestimmungen getroffen und die Ent-
scheidung entweder durch ein besonders zu bildendes Schieds-
gericht oder durch den Staatsgerichtshof angeordnet!®, Aber dieser
15 Einzelne Verfassungen drücken diesen Gedanken so aus, daß der
Landtag nur über solche Gegenstände in Beratung treten dürfe, welche
zu seinem Wirkungskreise gehörten. Bayr. Verf. Tit. VII $ 1, Sächs. Verf.
$ 79, Bad. Verf. $ 50, Hess. Verf. Art. 66. Diese Ausdrucksweise ist keine
lückliche.e Die Beschränkung des Landtages liegt nicht sowohl in den
egenständen, als in der Form seiner Tätigkeit.
16 Diese Ansicht vertritt z. B. R. v. Mohl, welcher dem Landtage die
Aufgabe zuweist, den Mißbrauch der Staatsgewalt zu verhindern: Württ.
Staatsrecht $ 97, Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften 1 282 ft.
Vgl. dagegen auch Merkel, Enzykl. 232. Gegen die Auffassung Mohls vom
Berufe der Volksvertretung, welche nur scheinbar eine positivrechtliche
Stütze in der Württemb. Verf., $ 124 findet, vgl. v. Sarwey, Württ, Staatr,
2 133 ff., ferner Anschütz, Gegenwärtige Theorien über den Begriff der
gesetzgeb. Gewalt 5 N. 8,
17 Die Behauptung Riekers a. a. O. 42, 43, daß in solchen Fällen der
Wille des Monarchen ausschlaggebend sei, steht mit dem Wortlaut und
Geist unserer Verfassungen im Widerspruch. Obwohl der Verf. sich für seine
Behauptung auf das „positive deutsche Staatsrecht“ beruft, hat er es doch
gänzlich unterlassen, diejenigen positiven Bestimmungeu anzugeben, durch
welche er dieselbe begründen will, Über das Verhältnis von Regierung und
Volksvertretung im konstitutionellen Staate vgl. insbes, Jellinek, Staatsl. 661.
18 Sächs. Verf. $ 153, S.-Alt. GG. $ 266 (dazu G. vom 21. Oktober 1848
u. 11. Februar 1854), Braunschw. N. LO. $ 231, G. vom 19. März 1850, G.
vom 80. März 1894, Old. StGG. Art. 209—211. — Die Bestimmung der Reußj.L.
Verf. $ 117, welche die Entscheidung dem Bundesschiedsgericht überträgt,
hat mıt dem Wegfall des letzteren ihre Anwendbarkeit verloren. Über die
Befu is der Reichsgewalt zur Entscheidung von Verfassungsstreitigkeiten
vgl. S 212.