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Volkes Veranlassung, die Quelle der weltlichen Gewalt im Volks-
willen zu suchen, eine Auffassung, welche durch die Eigenschaft
des heiligen römischen Reiches als eines Wahlreiches unterstützt
wurde. So entwickelten sich gegenüber der einseitigen Auffassung
von der Souveränetät des Monarchen schon im Mittelalter die
Keime der Theorie der Volkssouveränetät. Diese wurde von
den Schriftstellern des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts
in ebenso einseitiger Weise wie die Theorie von der Souveränetät
des Monarchen entwickelt. Ihre schroffste Ausbildung fand sie
durch Rousseau®, ihre praktische Verwirklichung in der franzd-
sischen Revolution. |
Eine größere Klärung über den Begriff der Souveränetät hat
erst im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts stattgefunden. Die
Einführung konstitutioneller Verfassungen hat den Gedanken von
der Schrankenlosigkeit des Herrschers beseitigt. Mit der Durch-
dringung der historischen Staatsauffassung ist die Vorstellung, daß
das eine oder das andere der angeführten Prinzipien das allein
zulässige sei, überwunden worden. Durch die weitere Ausbildung
der juristischen Lehre vom Staat sind die Personen des Staates
und des Herrschers schärfer von einander geschieden worden ®.
Der Begriff der Souveränetät stammt aus einer Zeit, wo eine
strenge Scheidung der Personen des Staates und des Herrschers
noch nicht stattgefunden hatte. Dies hat zur Folge gehabt, daß
der Ausdruck „Souveränetät“ auch noch in der heutigen Wissen-
schaft, sowie namentlich im Sprachgebrauch der Staatspraxis teils
angewandt wird, um gewisse Eigenschaften des Staates, teils,
um die Rechtsstellung bestimmter Personen im Staate zu
bezeichnen ”.
6 Rousseau, Du contrat social, namentlich livres II chap. 6 und III
chap. 1, 16—18. Eine erschöpfende Darstellung der Geschichte des Begriffs
der Volkssouveränetät gibt Gierke, Althusius les
6 Preuß, Gemeinde, Staat, Reich 92 ff., 100 ff. will den Souveränctäts-
begriff aus der Dogmatik des Staatsrechts völlig eliminieren, weil derselbe
nur für den absoluten Staat passe, der kein anderes Gemeinwesen neben
eich anerkenne. Aber wenn der Souveränetätsbegriff sich auch im absoluten
Staate entwickelt hat, so ist doch seine Anwendbarkeit nicht auf diesen be-
schränkt. Gerade für die Bestimmung des Verhältnisses mehrerer Gemein-
wesen zueinander besitzt er eine erhebliche Bedeutung. Ebensowenig ist
Aftolter, Allg. St.R. 11 und Arch.Off.R. 17 137 zuzustimmen, der den Begriff
der Souveränetät für einen bloß politischen erklärt. Die Aufstellung des
Souveränetätsbegriffes hat allerdings politischen Zwecken gedient, aber der
Begriff selbst hat im Laufe der Zeit den Charakter eines Rechtsbegriffes
angenommen. Vgl. auch Jellinek, Staatsl. 474f.
1 Vgl Rehm, Staatsl. 62; Jellinek, Staatsl. 457, 474; Anschütz, Enzy-
klop. 21ff. In dieser Unterscheidung ist nicht etwa, wie Jellinek, Staaten-
verbindungen 24 meint, eine Spaltung der Souveränetät enthalten. Die-
selbe ist deshalb notwendig, weil das Wort „Souveränetät“ tatsächlich
zur Bezeichnung eines doppelten Verhältnisses gebraucht wird, indem es
einerseits dazu dient, das Verhältnis des Staates zu anderen Rechts-
subjekten, andererseits die Stellung bestimmter Personen im
Staate zu bezeichnen. Im ersteren Sinne spricht man von Staats-