338 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 38.
Abgesehen von der Teilung der Landtage in zwei Kammern
kommt in einigen Ländern eine eigentümliche Gliederung der-
selben dadurch vor, daß das Land aus zwei mehr oder weniger
selbständigen Teilen besteht, von denen jeder seinen eigenen Land-
tag besitzt, während für das ganze Land ein gemeinsamer Land-
tag existiert?.
& 98.
Bei der Bildung der ersten Kammern in Deutschland
ließ man sich zunächst von dem Vorbild des englischen Oberhauses
leiten. Man hielt sich jedoch lediglich an die äußere Erscheinung
desselben und sah in ihm nur eine Vertretung des großen Grund-
besitzes, wärend seine wahre Bedeutung doch darauf beruhte, daß
es die regierende Klasse des Landes repräsentierte.e Die Bildung
der ersten Kammern ging daher unter vorwiegender Berück-
sichtigung des standesherrlichen und ritterschaftlichen grund-
besitzenden Adels vor sich, welcher teils durch erbliche, teils
durch gewählte, teils durch vom Monarchen auf Lebenszeit ernannte
Mitglieder vertreten war. Außerdem wurde dem Monarchen in
Nachahmung der Bestimmungen der französischen Charte das
Recht erteilt, Mitglieder der ersten Kammer auf Lebenszeit, meist
jedoch nur in beschränkter Zahl, zu ernennen. [Außer diesen
Personenkategorien kommen noch folgende als Mitglieder der Ersten
Kammer vor: 1. die volljährigen Prinzen des regierenden Hauses;
2. Vertreter der größeren Städte; 3. Vertreter der Hochschulen
(Universitäten, technische Hochschulen); 4. Vertreter der Geistlich-
keit der Landeskirchen; 5. — neuerdings (in Württemberg, Baden,
Hessen, Elsaß-Lothringen) — Vertreter der wichtigsten wirtschaft-
lichen | rufsstände: der Landwirtschaft, des Handels, des Hand-
werks.
sind; sie findet daher keine Anwendung auf solche, welche aus der Initiative
der Kammern hervorgehen. Vgl. G. über das Recht der Kammern zu Ge-
setzesvorschlägen vom 31. März 1849 $ 8. — In Württemberg und Baden,
neuerdings auch in Hessen, werden, wenn das von der Zweiten Kammer
angenommene Budget von der Ersten Kammer abgelehnt ist, die Stimmen in
beiden Kammern zusammengezählt, bei Stimmengleichheit gibt der Präsident
der Zweiten Kammer den Ausschlag (Württ. Verf. $ 181, Bad. Verf. $$ 61
und 74, in der Fassung des G. vom 24. August 1904; zu $ 61 8. oben N. 6;
$ 74 betrifft die Vornahme und Ordnung der gemeinsamen Abstimmung.
Hess, Verf. Art. 67 und Art. 75 in der Fassung vom 8. Juni 1911. Vgl. die
Schrift: Das suspensive Veto der hessischen Landstände, Mainz 1874).
® Im Herzogtum Sachsen-Koburg-Gotha bestehen besondere Landtage
für jedes Herzogtum. Der gemeinsame Landtag setzt sich aus den Mit.
gliedern beider Speziallandtage zusammen. S.-Kob.-Goth. StGG. Se
55 112—116, S.-Kob.-Goth. G., eine Abänderung des StGG. vom 38. Mai 1852
und Beil. I u. II desselben betr. vom 31. Januar 1874. — Auch im Fürstentum
Waldeck war bis zum G. vom 80. Januar 1864 zwischen dem gemeinsamen
Landtage für die vereinigten Fürstentümer Waldeck und Pyrmont und den
Speziallandtagen für die beiden Fürstentümer Waldeck und Pyrmont zu
unterscheiden. Wald. Verf- $ 47, Landtagsordnung für das Fürstentum
Pyrmont vom 27. Juli 1854 mit Abänderungsgesetz vom 25. Januar 1859.