Einleitung. $ 7. >35
Der Einheitsstaat besitzt ferner einen unbeschränkten
Wirkungskreis. Er hat allein zu bestimmen, welche politischen
Aufgaben er sich zur eigenen Erfüllung vorbehalten, welche er
den ihm untergeordneten Kommunalverbänden überlassen will.
lhm steht die Verteilung der Kompetenzen unter die verschiedenen
ihm untergeordneten Gemeinwesen zu; er hat die sogenannte
Kompetenz-Kompetenz. Die Kompetenz-Kompetenz macht
jedoch das Wesen der Souveränetät nicht aus!?. Souveränetät
ist auch innerhalb eines beschränkten Bereiches und ohne
Kompetenz-Kompetenz denkbar. Zur Souveränetät eines Gemein-
wesens wird nur erfordert, daß die demselben zustehenden Kompe-
tenzen ihm ohne seinen Willen nicht entzogen werden dürfen !®.
2. Souveränetät als Eigenschaft einer Person oder
Personenmehrheit bezeichnet die Rechtsstellung des-
jenigen im Staate, der als Träger der Staatsgewalt
(oben $ 5 S. 20) erscheint. Seine Macht ist die höchste im
Staate, es kann ihm keine andere Person übergeordnet sein.
Aber sie ist nicht notwendig schrankenlos!*, der Souverän kann
bei Austibung seiner Herrschaftsrechte sowohl an die Beobachtung
gewisser Formen als an die Mitwirkung anderer Organe gebunden
werden.
6. Die Legitimität der Staatsgewalt.
87.
Es ist nicht Aufgabe des Staatsrechtes, die Frage zu ent-
scheiden, wie die Staaten überhaupt entstanden und wie nament-
lich die Anfänge der Staatenbildung beschaffen gewesen sind.
Ebensowenig hat das Staatsrecht einen Rechtfertigungsgrund für
16 ff., Lehrbuch ($ 17) 27 ££.; ferner Hinschius in Marquardsens Hb. d. öffent,
Rechts 1ı 233 N. 2; Jellinek, Gesetz und Verordnung 198; Merkel in
v. Holtzendorffs Enzyklopädie (5. A.) 26, während andere Schriftsteller, z. B.
H. A. Zachariä 1 ($ 14) 50, lediglich die materielle Begrenzung der Staats-
sphäre betonen, das Fehlen jeder formellen Schranke dagegen übersehen.
Le Fur, Etat Federal 432 ff., handelt ausführlich von den rechtlichen Be-
schränkungen der Souveränetät und hält es für notwendig, auf diese Be-
schränkungen in dem Begriffe der Souveränetät hinzuweisen. Solche Be-
schränkungen bestehen aber nur auf Grund völkerrechtlicher Verpflichtungen,
auf welche bereits N, 10 Bezug genommen ist. Verpflichtungen dagegen,
welche der Staat seinen Untertanen gegenüber übernimmt, sind für ihn keine
rechtliche Schranke, da er sich stets in der Lage befindet, dieselben im
Wege der Gesetzgebung wieder zu beseitigen.
12 Dies behaupten Haenel, Vertrarsmäßige Elemente 149; Laband, St.R.
1 93 N. 1; Zorn, St.R. 1 83, Z. StaatsW. 307, 314; G. Liebe, Staatsrechtliche
Studien Heft 1 (1880), 10, 31; Bake, Beschouwingen 29 fl.; Borel, Etude sur
la souverainete 31, 47; Jellinek, Gesetz und Verordnung 197 ff.; Le Fura,a.O.
465 ff.; Bansi, Ann.D.R. (1898) 682; Treitschke, Politik 1 39.
ı8 Vgl, auch Rosin, Ann.C.R. (1883) 271—273.
14 Seydel, Allgemeine Staatslehre 8 u. 9, nimmt freilich an, daß für
den Herrscherwillen eine rechtliche Schranke nicht existiere; dies erklärt
sich aber aus seiner vollständigen Identifizierung des Staates mit der Person
des Herrschere.