Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe. $ 106. 389 
anstalten, den Versicherungsanstalten der Arbeiter- und Angestellten- 
versicherung !". 
IV. Das Verhältnis von Staatsverwaltung und Kommunal- 
verwaltung, bureaukratischer und Selbstverwaltung ist in den 
hauptsächlichsten Ländern Europas folgendermaßen gestaltet!®, 
1. In England!? hatte sich bereits im Mittelalter mit 
Ausbildung der parlamentarischen Institutionen ein ausgedehntes 
„Selfgovernment* innerhalb der Grafschaften und Kirchspiele 
entwickelt. Die Hauptträger desselben waren die Friedensrichter, 
in deren Händen sich die niedere Strafgerichtsbarkeit und Polizei 
befand. Sie wurden von der Krone ernannt und verwalteten ihre 
Amter als Ehrenämter. Von einem unmittelbaren Einfluß der 
Zentralregierung durchaus unabhängig, fanden sie eine Schranke 
für die Ausübung ihrer Tätigkeit nur in den Gesetzen des Landes, 
Die Aufrechterhaltung dieser Gesetze war Sache der Reichsgerichte. 
Neben dieser älteren Form der englischen Verwaltung, welche 
einen durchaus aristokratischen Charakter hatte, hat sich im 
Laufe des neunzehnten Jahrhunderts eine neuere herausgebildet. 
Nach dem Erlaß der ersten Reformbill im Jahre 1832 wurde eine 
umfassende soziale Reformgesetzgebung, namentlich auf dem Ge- 
biete des Armenwesens, Gesundheitswesens und Schulwesens in 
Angriff genommen. Für diese Zwecke bildete man neue Kommunal- 
verbände in der Form von sogenannten Verwaltungsgemeinden, 
d. h. Verbände, von denen jeder nur einem einzelnen speziellen 
Verwaltungszwecke diente (Armenverbände, Schulverbände, Wege- 
verbände)*2°. In denselben bestehen gewählte boards, welche 
lediglich beratende, vermögensverwaltende und steuerbewilligende 
Funktionen besitzen. Dagegen liegt die eigentliche Arbeit in den 
Händen besoldeter Beamten, die vom Kommunalverband angestellt 
werden. Da aber diese Beamten einer Kontrolle bedürfen und die 
boards sich unfähig erwiesen haben, dieselbe auszuüben, so hat 
sich ein System kontrollierender Staatsbeamten und oberaufsehender 
Zentralbehörden ausgebildet. Letztere sind durch ein Gesetz aus 
1 [Nel. Fleiner, Instit. 103, 104.] 
ı8 Über die Behördenorganisation und Kommunalverfassung in den 
hauptsächlichsten Ländern Europas, namentlich England, Frankreich und 
Deutschland, vgl. außer den $ 53 Nr. 2 und oben Nr. 14 angeführten 
Schriften Gneists L. v. Stein, Verwaltungslehre Teil I Abt. 1 und 2; E. v. 
Meier, Enzykl. (6. Aufl.) 2 653 ff., die, N. 1 angeführte Abhandlung G. Meyers 
in Schönbergs Handb. der polit. Ökonomie und Bornhaks Abhandlungen 
über die Organisation der inneren Verwaltung auf rechtsvergleichender Grund- 
lage, in AnnDR 192, sowie die bisher in der Sammlung „Das öffentliche 
Recht der Gegenwart“ erschienenen Darstellungen. 
19 [Litersturangaben finden sich in den oben $ 538 Nr. 2 zitierten Werken 
über englisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht von Gmneist, Hatschek, 
Redlich (dazu jetzt noch Hatscheks Staatsrecht des Vereinigten Königreichs 
Großbritannien-Irland, 1914, Koellreutter, Verwaltungsrecht und Verwaltungs- 
rechtsprechung im modernen England 1912); insbesondere bei Redlich, Eng- 
lische Lokalverwaltung 3 ff.) 
20 Vgl.Redlicha.2.0.133 f.,170 f.,209 ff.,591ff.; Hatschek, Engl.StR2410 ff.
	        
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