Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

390 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 106. 
dem Jahre 1871 zu einer besonderen Kommunalaufsichtsbehörde, 
dem local government board, vereinigt worden. Seit dem Jahre 
1888 ist das System gewählter Vertretungen auf die Grafschaften 
ausgedehnt und im Jahre 1894 auf Grundlage der früheren Organi- 
sation für die Gesundheitsverwaltung eine gleichmäßige Einteilung 
der Grafschaften in Distrikte geschaffen worden. In diesen 
Distrikten werden die Verwaltungsbefugnisse gleichfalls von ge- 
wählten Räten ausgeübt. Das Wahlrecht ist durch die neueren 
Gesetze auf eine ziemlich breite Grundlage gestellt worden, so- 
daß die Verwaltungsorganisation jetzt einen überwiegend demo- 
kratischen Charakter besitzt?!. Die Städte haben in England 
nicht den Charakter vollständiger Kommunalwesen, welche alle 
Funktionen der örtlichen Verwaltung in sich vereinigen, sondern 
sind nur Bezirke für einzelne Zweige der Verwaltung. In älterer 
Zeit hatten die Städte nur eigene Gerichts-, Polizei- und Finanz- 
verwaltung, später sind ihnen auch die Angelegenheiten der Ge- 
sundheits- und Baupolizei und des Schulwesens übertragen worden. 
Doch ist die Tendenz, die Städte zu vollständigen Kommunalwesen 
zu entwickeln, unverkennbar. 
2. In Frankreich hatte sich schon unter dem ancien 
regime eine durchaus bureaukratische und zentralisierte 
Verwaltung durch Intendanten (intendants) und subdeleguds aus- 
gebildet. Zu dieser kehrte man, nachdem im Anfang der Revo- 
lution ein völlig verfehlter Versuch gemacht war, Organe der 
lokalen Verwaltung durch Wahl zu bilden, sehr bald wieder zu- 
rück. Das System fand namentlich in dem unter der Regierung 
Napoleons I. gegebenen Gesetze vom 28. pluviose des Jahres VIII 
[= 17. Februar 1800]?? seinen Ausdruck, dessen wesentliche 
Grundzüge bis zum heutigen Tage unverändert bestehen geblieben 
sind. Durch dasselbe wurde ein streng hierarchisches System von 
Präfekten, Souspräfekten und Maires für die Departements, Arron- 
dissements und Gemeinden des Staates geschaffen. In den Händen 
dieser von der Zentralgewalt durchaus abhängigen Beamten liegt 
die Ausübung aller obrigkeitlichen Befugnisse. Ihnen stehen aller- 
dings gewählte Vertretungen der Bevölkerung, sogenannte conseils 
(Generalräte und Departementalkommissionen für die Departements, 
Arrondissementsräte für die Arrondissements, Munizipalräte für 
die Gemeinden) zur Seite, dieselben besitzen aber vorwiegend be- 
ratende und vermögensverwaltende Befugnisse. 
3. In Deutschland hatten sich trotz der Ausbildung des 
landesherrlichen Beamtentums bedeutende Elemente der Selbst- 
verwaltung, namentlich in den Städten erhalten, welchen eine Reihe 
obrigkeitlicher Funktionen, Gerichtsbarkeit und Polizei, zustand. 
Auch der Grundsatz, daß der Bürger verpflichtet sei, die ihm 
21 Redlich 209 ff. 
22 [Loi sur la division du territoire et sur l’administration; abgedruckt 
z. B. bei Helie, les constitutions de la France 6llffl. Dazu E. v. Meier. 
Französische Einflüsse auf die Staats- und Rechtsentwicklung Preußens 1192 ff.)
	        
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