Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe. $ 107. 393 
seit dem dreizehnten Jahrhundert der Hofmeister hervor, der zu- 
gleich Leiter des Hofhaltes und der Landesregierung ist?®. Die 
Schreibereien besorgte ein Geistlicher, Schreiber oder Notar, 
später Protonotar oder oberster Schreiber genannt. Aus diesem 
Amte entwickelte sich im fünfzehnten Jahrhundert das des 
Kanzlers, der anfangs ebenfalls ein Geistlicher, später ein 
römischrechtlich gebildeter Laie war. Ihm traten mit der fort- 
schreitenden Rezeption des römischen Rechtes immer mehr gelehrte 
Räte zur Seite. 
Für die Verwaltung der einzelnen Teile des Landes 
bestanden aus fränkischer Zeit die Amter des Grafen und des 
Centenar. Diese Amter waren Gegenstand der Belehnung ge- 
worden, so daß die Inhaber derselben eine selbständige, vom 
Landesherrn unabhängige Gewalt besaßen. Die Landesherren 
wußten sich aber ihrer Vasallen allmählich zu entledigen und an 
ihre Stelle Beamte zu setzen. Diese Beamten, welche unter der 
Bezeichnung Amtmänner, Pfleger, Vögte, Drosten usw. 
vorkamen, vereinigten in ihren Händen richterliche und Ver- 
waltungsfunktionen. - In den Besitzungen der Ritterschaft und 
der landsässigen Prälaten besaßen die Grundherren jedenfalls 
niedere, mitunter sogar hohe Gerichtsbarkeit. Auch die Städte 
waren im Besitze von Hoheitsrechten , und einer eigenen Regie- 
rung. Gegenüber diesen Gebieten war also die Tätigkeit der 
landesherrlichen Beamten auf eine Aufsicht und die Wahrnehmung 
einzelner Befugnisse beschränkt. Die volle Amtsgewalt hatten sie 
pur auf den landesherrlichen Domänen auszuüben. Über den 
Amtmännern standen in manchen Ländern höhere Beamte, welchen 
eine Aufsicht gegenüber diesen zustand und welche die Bezeich- 
nung: Landvogt, Landeshauptmann, Vitztum usw. 
führten. 
2. Eine Reorganisation der Zentralverwaltung beginnt 
seit Ende des fünfzehnten und Anfang des sechzehnten Jahr- 
hunderts. Auf diese sind die österreichischen Verwaltungs- 
organisationen Maximilians I. und Ferdinands I. [die ihrerseits 
wieder burgundischen und französischen Einrichtungen nachgebildet 
waren] von entscheidendem Einfluß gewesen. An den landes- 
herrlichen Höfen werden ständige Behörden mit kollegialer 
Organisation errichtet. Namentlich treten uns zwei Kollegien ent- 
egen: die Hofgerichte und die Kanzleien. Die Hofgerichte 
Kammergerichte), hervorgegangen aus den an den Hof des 
Landesherrn gezogenen Landgerichten und aus der Gerichtsbar- 
keit, welche dieser auf den Landtagen ausübte, waren zunächst 
Gerichte für die Ritterschaft; später wurden sie auch Berufungs- 
instanzen. Einen ständigen Charakter hatten sie damals noch 
nicht; sie hielten drei bis viermal im Jahre Sitzungen. Die 
® Seeliger, Das deutsche Hofmeisteramt im späteren Mittelalter, Iuns- 
bruck 1885; Rosenthal, Geschichte des Gerichtswesens 289 £.
	        
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