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Jahrhundert dazu, daß den Pächtern die Ausübung der obrigkeit-
lichen Funktionen, insbesondere die Justiz, wieder entzogen und
angestellten Beamten übertragen wurde. In den ritterschaftlichen
Besitzungen bestand Patrimonialgerichtsbarkeit und
Patrimonialpolizei des Gutsherrn. In den Städten wurde
die lokale Verwaltung, insbesondere die Polizei, sowie die Justiz
von dem städtischen Rate gehandhabt, welcher seit dem siebzehnten
Jahrhundert meist einer Bestätigung des Landesherrn bedurfte.
— Zwischen den hier erwähnten Örganen und den Zentralbehörden
des Landes entwickelten sich in den größeren Territorien Mittel-
behörden. Die Organisation derselben knüpfte entweder an das
Amt des Landvogts, Landeshauptmanns oder Vitztums an, dem
man zur Unterstützung einige Räte beigab (so in Bayern!!) oder
die Mittelbehörden entwickelten sich aus ehemaligen Zentral-
behörden, wenn die Länder, für welche diese bestellt waren, mit
anderen Territorien vereinigt wurden (so im brandenburgisch-
preußischen Staate2).
Die Verwaltung der Steuern lag in den Händen der Land-
stände und wurde durch einen Ausschuß derselben (Schatzrat
oder Landschaftskollegium) besorgt. Für die Erhebung der Steuern
bestanden besondere ständische Deputierte.
3. [Während das Amterwesen der meisten deutschen Terri-
torien im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert wesentliche
Änderungen des im sechzehnten Jahrhundert erreichten Standes
der Dinge nicht erkennen läßt, bedeutet eben jene Zeit, besonders
die von 1660—1723, für denbrandenburgisch-preußischen
Staat und seine Behördenorganisation eine Epoche gewaltiger
Wandlungen und Fortschritte Hier führte der Aufschwung vom
Territorium zum Großstaat (Gebietsvergrößerungen zu Beginn des
siebzehnten Jahrhunderts und durch den westfälischen Frieden:
Erwerb von Preußen, Kleve, Mark, Ravensberg, eines Teils von
Pommern, Magdeburg, Halberstadt, Minden usw.) und die hier-
durch notwendig gewordene Umgestaltung des Heereswesens und
der Finanzverwaltung in der zweiten Hälfte des siebzehnten und
der ersten des achtzehnten Jahrhunderts auch zu einer völligen
Neugestaltung der Behördenb.] Diese knüpft an das Amt der
11 v, Seydel, Bayr. Staatsr. (2. Aufl.) 1 21.
a Hier wurden die „Regierungen“, einst Zentralbehörden der einzelnen
Provinzen (z. B. Preußen, Pommern, Magdeburg; vgl. oben S. 394) in der
Zeit ihrer territorialen Selbständigkeit, allmählıg zu Mittelbehörden des
Gesamtstaates. Über diese Entwicklung und die Regierungen überhaupt:
Hintze, Acta Borussica VI 1 202£., histor.-polit. Aufsätze 1 48ff.; E. v.
Meier, Enzykl. (6 Aufl.) 655, Schoen, das. (7. Aufl.) 4 220; Kloeppel, Dreißig
Jahre deutsche Verfassungsgesch. 387, 388.
b Die eigenartige und reiche, von den gemeindeutschen Durchschnitts-
zuständen weit abweichende Entwicklung der brandenburgisch-preußischen
Verwaltungsorganisation unter dem Großen Kurfürsten und den beiden
ersten Königen ist schon öfters geschildert worden. Vgl. die oben N. 1 an-
geführten Werke und Einzelarbeiten von Loening, Schimoller (dazu noch dessen