Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

396 Zweiter Teil. Zweites Buch. 3 107. 
Jahrhundert dazu, daß den Pächtern die Ausübung der obrigkeit- 
lichen Funktionen, insbesondere die Justiz, wieder entzogen und 
angestellten Beamten übertragen wurde. In den ritterschaftlichen 
Besitzungen bestand Patrimonialgerichtsbarkeit und 
Patrimonialpolizei des Gutsherrn. In den Städten wurde 
die lokale Verwaltung, insbesondere die Polizei, sowie die Justiz 
von dem städtischen Rate gehandhabt, welcher seit dem siebzehnten 
Jahrhundert meist einer Bestätigung des Landesherrn bedurfte. 
— Zwischen den hier erwähnten Örganen und den Zentralbehörden 
des Landes entwickelten sich in den größeren Territorien Mittel- 
behörden. Die Organisation derselben knüpfte entweder an das 
Amt des Landvogts, Landeshauptmanns oder Vitztums an, dem 
man zur Unterstützung einige Räte beigab (so in Bayern!!) oder 
die Mittelbehörden entwickelten sich aus ehemaligen Zentral- 
behörden, wenn die Länder, für welche diese bestellt waren, mit 
anderen Territorien vereinigt wurden (so im brandenburgisch- 
preußischen Staate2). 
Die Verwaltung der Steuern lag in den Händen der Land- 
stände und wurde durch einen Ausschuß derselben (Schatzrat 
oder Landschaftskollegium) besorgt. Für die Erhebung der Steuern 
bestanden besondere ständische Deputierte. 
3. [Während das Amterwesen der meisten deutschen Terri- 
torien im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert wesentliche 
Änderungen des im sechzehnten Jahrhundert erreichten Standes 
der Dinge nicht erkennen läßt, bedeutet eben jene Zeit, besonders 
die von 1660—1723, für denbrandenburgisch-preußischen 
Staat und seine Behördenorganisation eine Epoche gewaltiger 
Wandlungen und Fortschritte Hier führte der Aufschwung vom 
Territorium zum Großstaat (Gebietsvergrößerungen zu Beginn des 
siebzehnten Jahrhunderts und durch den westfälischen Frieden: 
Erwerb von Preußen, Kleve, Mark, Ravensberg, eines Teils von 
Pommern, Magdeburg, Halberstadt, Minden usw.) und die hier- 
durch notwendig gewordene Umgestaltung des Heereswesens und 
der Finanzverwaltung in der zweiten Hälfte des siebzehnten und 
der ersten des achtzehnten Jahrhunderts auch zu einer völligen 
Neugestaltung der Behördenb.] Diese knüpft an das Amt der 
11 v, Seydel, Bayr. Staatsr. (2. Aufl.) 1 21. 
a Hier wurden die „Regierungen“, einst Zentralbehörden der einzelnen 
Provinzen (z. B. Preußen, Pommern, Magdeburg; vgl. oben S. 394) in der 
Zeit ihrer territorialen Selbständigkeit, allmählıg zu Mittelbehörden des 
Gesamtstaates. Über diese Entwicklung und die Regierungen überhaupt: 
Hintze, Acta Borussica VI 1 202£., histor.-polit. Aufsätze 1 48ff.; E. v. 
Meier, Enzykl. (6 Aufl.) 655, Schoen, das. (7. Aufl.) 4 220; Kloeppel, Dreißig 
Jahre deutsche Verfassungsgesch. 387, 388. 
b Die eigenartige und reiche, von den gemeindeutschen Durchschnitts- 
zuständen weit abweichende Entwicklung der brandenburgisch-preußischen 
Verwaltungsorganisation unter dem Großen Kurfürsten und den beiden 
ersten Königen ist schon öfters geschildert worden. Vgl. die oben N. 1 an- 
geführten Werke und Einzelarbeiten von Loening, Schimoller (dazu noch dessen
	        
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