Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

406 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 109. 
Organisation: alle Organe, welche in denselben tätig werden, sind 
Organe der Gemeinde. Der Staat beschränkt sich den Gemeinden 
gegenüber auf die Ausübung von Aufsichtsbefugnissen: nur aus- 
nahmsweise findet eine Leitung der Gemeinde durch Staatsorgane, 
wie z.B. bei kommissarischer Verwaltung, statt. [Es war früher 
vielfach üblicha die sachliche Zuständigkeit der Gemeinden in 
einen „eigenen“ (selbständigen, natürlichen) und einen „über- 
tragenen“* Wirkungskreis zu zerlegen. Diese Unterscheidung er- 
scheint zuerst in der Literatur und Gesetzgebung der französischen 
Revolutionszeitb und ist von da in die Gesetzgebung mancher 
deutscher Länder, namentlich aber Österreichse übergegangen. 
Der „eigene Wirkungskreis soll aus Angelegenheiten bestehen, 
auf deren Verwaltung die Gemeinde ein „eigenes“, d.h. nicht vom 
Staate herstammendes Recht hat, der „übertragene“ aus solchen, 
die der Gemeinde vom Staate zugewiesen sind. Der eigene Wirkungs- 
kreis zeigt die Gemeinde im Status eines reinen Fürsichseins, 
während sie im übertragenen Wirkungskreis ein Dasein für den 
Staat führt. — Die ganze Unterscheidung ist theoretisch wie 
raktisch unhaltbar. „Eigene Rechte“ im Sinne von außerstaat- 
ichen, für die Stantsgewalt unantastbaren Rechten, gibt es nicht. 
Versteht man aber unter einem „eigenen“ Recht nichts anderes als 
ein subjektives Recht, so ist auch der sogenannte übertragene 
Wirkungskreis der Gemeinde „eigen“, d.h. Gegenstand subjektiver 
Berechtigung. Und dieses Recht der Gemeinde auf ihren Wirkungs- 
kreis — ein subjektives öffentliches Rechtd — ist wiederum genau 
so „übertragen“ wie jedes andere subjektive öffentliche Recht, denn 
es beruht auf dem sein Dasein begründenden Willen des Staates, 
Es ist also sowohl der eine wie der andere Wirkungskreis gleicher- 
weise „übertragen“ und „eigen“; ein innerer rechtlicher Unter- 
schied zwischen den beiden besteht nicht. Die Unterscheidung 
ist aber auch praktisch nicht durchführbar, da es an einem aus- 
schlaggebenden Merkmal, nach dem sich die Zugehörigkeit einer 
Gemeindeaufgabe zu der einen oder anderen Sphäre bestimmen 
ließe, fehlte] Die Tätigkeit der Gemeinde äußert sich teils in 
» So insbesondere auch die Voraufl. S. 364. Ferner z. B. v. Seydel- 
Piloty, Bayer. Staatsr. 1 520 ff. 
b Dies ist zuerst von Loening, Deutsches VerwR 181 Anm. 1 erkannt 
worden. Vgl. sodann besonders Jellinek, System 275 ft., Staatslehre 644 ff., 
Schriften und Reden 2 334 ff. Ferner: Hatschek, Die Selbstverwaltung (1898) 
Af., 60fl., 69ff.; Preuss, Staat und Stadt (1909). — Das oben im Text ge- 
meinte Gesetz ist das vom 14. Dezember 1789; es erklärt, daß die Gemeinden 
zwei Arten von Aufgaben zu erfüllen haben: „Les unes propreg au pouvoir 
municipal; les autres propres & l’administration generale de I’Etat, et dele- 
guees par elle aux municipalites.“ 
c Österreichische Gemeindegenetze vom 17. März 1849 und vom 5. März 
1862; vgl. Jellinek, Schriften und Reden a.a.0. 335 ff, Lamp, Das Problem 
der städtischen Selbstverwaltung nach österr. und preuß. Recht (1905) 22 ft., 
41 ff., SAff., 126 fi. 
d Oben $ 11 S. 37 ff. 
e Ebenso urteilen Loening, Jellinek, Lamp an den in den vorstehen-
	        
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