Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

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412 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 110. 
hältnisse in den Landgemeinden jeweils verschieden. In einzelnen 
wurde jeder Grundbesitz, einerlei von welchem Umfange, für 
genügend erachtet, um die Rechte eines Gemeindemitgliedes aus- 
zuüben, schließlich sogar nur der Besitz eines eigenen Haus- 
standes erfordert. In anderen verknüpfte sich die Berechtigung 
mit dem Besitz bestimmter Güter. In noch anderen entstand die 
Anschauung, daß nur ein gewisses Maß des Grundbesitzes die 
volle Berechtigung gewähre; diejenigen Personen, welche zwar 
Grundbesitz, aber nicht von dem erforderlichen Umfange hatten, 
traten den sogenannten Vollbauern als Genossen geringeren Rechtes 
(Halbbauern usw.) gegenüber. Den Mittelpunkt der Gemeinde- 
tätigkeit bildete fortdauernd die Regulierung der Feldwirtschaft 
des einzelnen und die Sorge für die gemeine Mark. Aus der 
Beschränkung der den einzelnen zustehenden Marknutzungen 
entwickelten sich die polizeilichen Funktionen der Gemeinde. 
Außerdem behielt dieselbe Gerichtsbarkeit in geringeren Straf- 
sachen und Schuldklagen und eine ziemlich weitgehende Auto- 
nomie, 
An der Spitze der Gemeinde stand der Bauermeister, Bauer- 
richter oder „Schulze“ (Schultheiß), welcher aus der Wahl der 
Gemeindegenossen hervorging. In den grundherrlichen Gemeinden 
wurde derselbe schon im Laufe des Mittelalters vielfach durch 
einen grundherrlichen Beamten verdrängt. In einzelnen Gegenden, 
namentlich den Kolonisationsländern, kommt auch die Verbindung 
des Vorsteheramtes mit einem bestimmten Gute vor (sogenannter 
Erb- oder Lehnsschulze). Die Beratung und Beschlußfassung 
über Gemeindeangelegenheiten erfolgte meist in der Versammlun 
aller Gemeindegenossen. Da, wo ständige Urteilsfinder und 
Schöffen vorkamen, entwickelten sich aus diesen häufig kollegia- 
lische Gemeinderäte nach dem Muster der städtischen Räte. 
Schon seit dem dreizehnten Jahrhundert erhoben sich Klagen 
des Bauernstandes über Bedrückung seitens der Fürsten. Im 
fünfzehnten Jahrhundert kam es bereits zu einzelnen Aufständen, 
in den Bauernkriegen des sechzehnten Jahrhunderts nahmen diese 
größere Dimensionen an und breiteten sich über einen großen 
Teil von Deutschland aus. Die Bauern erlitten jedoch eine voll- 
ständige Niederlage, so daß die erstrebte Verbesserung ihrer Ver- 
hältnisse nicht eintrat. Allmählich verloren viele Gemeinden auch 
die wirtschaftliche Grundlage, auf welcher ihre Gestaltung im 
wesentlichen beruhte, die gemeine Mark. Zum Teil wußten die 
Landesherrn dieselbe auf Grund ihrer Obermärkerschaft an sich 
.zu bringen und mit ihrem Domanium zu vereinigen. Zum Teil 
wurde dieselbe durch die seit Mitte des achtzehnten Jahrhunderts 
beginnenden Gemeinheitsteilungen in Privateigentum der einzelnen 
Gemeindegenossen verwandelte In den Landgemeinden machte 
sich ebenfalls das Bestreben der Abschließung geltend. Nament- 
lich suchte man da, wo sich noch Marknutzungen erhalten hatten, 
die Aufnahme im Interesse der nutzungsberechtigten Besitzer
	        
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