Die Organe. $ 110. 415
Einleitungsworte es ausdrücken, das Ziel, „die in Klassen und
Zünfte sich teilenden Bürger zu einer Einheit zusammenzufassen,
ihnen eine tätige Einwirkung auf die Verwaltung des Gemein-
wesens beizulegen und durch diese Teilnahme Gemeinsinn zu er-
regen und zu erhalten“®,. Von einer Reform der Landgemeinde-
verfassung wurde dagegen infolge des übermächtigen Widerstandes
der Gutsherren zunächst abgesehen®. Im Laufe der nächsten Jahr-
zehnte fand eine Revision der Städteordnung und eine Regelung
der Gemeindeverhältnisse in den neuerworbenen Provinzen Rhein-
land und Westfalen statt®.
Auch die anderen deutschen Länder nahmen in der
Zeit nach 1815 eine Reorganisation ihrer Gemeindeverfassungen
in Angriff. In den Rheinbundstaaten erfolgte nach Vernichtung
der Fremdherrschaft die Aufhebung der unter französischem Ein-
fluß entstandenen Gemeindeordnungen. Bei der Neuordnung folgten
viele Staaten, namentlich die norddeutschen, dem preußischen Vor-
bild, insofern als sie städtische und ländliche Gemeindeverfassung
verschieden gestalteten, und für Reformen der ersteren die preußische
StO von 1808 zum Muster nahmen. Dagegen war im südlichen
und westlichen Deutschland unter der Nachwirkung französischer
Einflüsse die Neigung vorhanden, Stadt und Land gleichartig zu
behandeln, eine Strömung, welche auch auf die preußische Rhein-
rovinz nicht ohne Einfluß blieb. In einigen, namentlich süd-
Neutschen Staaten wurde die Reform der Gemeindeverfassung
schon im zweiten oder Anfang des dritten Jahrzehntes des ver-
gangenen Jahrhunderts vollzogen !'. Andere Länder gelangten
dagegen erst infolge der Bewegungen der dreißiger Jahre zu
einer Neugestaltung der Gemeindeverfassung!!. Noch andere
sahen von einer allgemeinen gesetzlichen Regelung der Gemeinde-
organisation zunächst ab; die Gemeindeverfassung beruhte hier
auf den Statuten der einzelnen Ortschaften oder auf Herkommen 2,
Namentlich die Städteverfassung blieb dauernd statutarisch geregelt,
8 Preuß. GS 1806-1810 S. 324.
e Vgl. E. v. Meier, Reform 325 ff.. Französ. Einflüsse, 2 348 fi, M. Leh-
mann eiherr vom Stein 2 365 ff., 503, Keil, Die Landgemeinden in den
östl. Provinzen Preußens (1890) 81 ft.
® Die Städteordnung vom 19. November 1808 wurde durch die revidierte
Städteordnung vom 17. März 1831 ersetzt, welche in den östlichen Provinzen
und in vielen Städten der Provinz Westfalen Geltung erlangte. Eine Land-
emeindeordnung für Westfalen wurde unter dem 31. Oktober 1841, eine
Gemeindeordnung für die Rheinprovinz unter dem 23, Juli 1845 erlassen.
Vgl. E. v. Meier, Enzykl. 6. Aufl. 672, 673, Schoen, das. 7. Aufl. 4 242.
10 Bayern (V., die Verfassung und Verwaltung der Gemeinden betr.,
vom 17. Mai 1818), Württemberg (Verwaltungsedikt für die Gemeinden,
Oberämter und Stiftungen vom 1. März 1822), Großherzogtum Hessen
(GO vom 30. Juni 1821), Nassau (Kommunalordnung vom 5. Juni 1816).
ıı Sachsen (StO vom 2. Februar 1832, LGO vom 7. November 1838),
Kurhessen (GO vom 23. Oktober 1834), Baden (GO und Bürgerrechts-
gesetz vom 31. Dezember 1831). .
12 Hannover, Sachsen-Weimar, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Meiningen.
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