Die Organe. $ 112. 423
4. Da, wo die Gemeinden die örtliche Gliederung des Staates
für die Durchführung seiner Aufgaben darstellen, muß notwendig
das ganze Staatsgebiet in Gemeindeverbände zerfallen. Dies ist
die Bedeutung der Bestimmung der neueren Gemeindeordnungen,
daß jedes Grundstück im Staate einer Gemeinde angehören
müsse, Doch werden größere zusammenhängende Güter von vielen
Gesetzgebungen [namentlich in Preußen]® den Gemeinden gleich-
gestellt. Der Gutsbezirk vertritt die Stelle der Gemeinde, der
Gutsbesitzer übernimmt die Rechte und Pflichten derselben und
er oder sein Stellvertreter übt die Funktionen des Gemeinde-
vorstehers aus. Dagegen ist die Gewalt, welche früher den Ritter-
gütern über die abhängigen Bauerngemeinden zustand, namentlich
die gutsherrliche Polizei, durch die neuere Gesetzgebung beseitigt
worden ®,
5. Das Gebiet der Gemeinde wird als Gemarkung be-
zeichnet. Zu Veränderungen in den Grenzen der Gemeinden ist
ein Beschluß der Staatsbehörden und entweder Zustimmung oder
wenigstens gutachtliche Außerung der beteiligten Gemeinden
erforderlich. Für Auflösung und Neubildung bestehender Ge-
meinden wird sogar häufig ein Akt der gesetzgebenden Organe
verlangt !.
& 112,
1. Die Gemeindemitgliedschaft! war in früherer Zeit
in den Städten häufig an die Angehörigkeit zu einer Zunft, in
und badischen Rechts (Bayer. GO Art.153, Bad. GO 88 167 ff., vgl. oben im
Text und N. 6), diese jedoch nur dann, wenn und soweit die einzelnen Ort-
schaften die Eigenschaft von Gemeinden im Rechtssinne, d.h, von kommu-
nalen Verbänden mit dem Recht zur Selbstverwaltung ihrer besonderen An-
gelegenheiten innewohnt.
® [Aus der reichhaltigen Literatur über das Recht der selbständigen
Gutsbezirke in Preußen ist hervorzuheben: Keil, Kommentar zur LGO vom
3. Juli 1891, Ifi., 318 f.; Genzmer, Entstehung und Rechtsverhbältnisse der
Gutsbezirke; derselbe. Kommentar zur L4O B12 ff.: Loening in den Jahr-
büchern für Nationalökonomie und Statistik 3. Folge 3 161fl.; E. v. Meier,
Enzykl. (6. Aufl.) 710 ff.: Schoen, das. (7. Aufl.) 249; derselbe, Recht der
Kommunalverbände 339 ff. Art. Gutsbezirk im WStVR und in Bitters
Wörterbuch der preußischen Verwaltung. — Über ähnliche Verhältnisse in
andern deutschen Einzelstaaten vgl. v. Seydel-Piloty, Bayer. StR 1 539 ft..
©. Mayer, Sächs. StR 294 fi., Walz, Bad. StR 191.]
S. hierüber die in Note ® angegebene Literatur.
10 Brockhausen, Vereinigung und Trennung von Gemeinden, Wien 189%.
Auf Grundlage des österreichischen Rechts kommt der Verf. zu dem Er-
ebnis, daß die Veränderungen in dem Bestande der Gemeinden durch den
illen der Gemeinden erfolgen (a. a. OÖ. 32, 119). [In Deutschland gilt dies
nur in Württemberg, \Vürttemb. GO Art. 2; im übrigen ist Regel, daß Ver-
änderungen im Bestande der kommunalen Gebiete nur durch den Staats-
willen bewirkt werden können (vgl. O. Mayer, Deutsches VerwR (1. Aufl.)
1 450), wenn sich auch die Frage bestimmt nur vom Standpunkte einer
einzelnen Gesetzgebung beantworten läßt. Vgl. Art. Gemeinde im WStVR,
2 43fl. Stephan im VerwArch 11 S. 317 fl.]. ,
ı Loening, VR 157 ff.; Schoen, Kommunalverbände 80 ff., in der Enzykl.
(7. Aufl.) 4244 ff.; Art. Gemeinde im WStVR II2, 247 ff.; Wielandt, Handb.