Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

428 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 112. 
berechtigten Gemeindemitgliedern stehen in den älteren preußischen 
Gemeindeverfassungsgesetzen (noch in der revidierten StO von 
1831) die „Schutzverwandten® — in den späteren Gesetzend „Ge- 
meindeangehörige“ genannt —, das sind diejenigen, welche im 
Gemeindegebiet wohnen und zur Benutzung der öffentlichen Ge- 
meindeanstalten befugt sind. Seit der (als Gesetz publizierten, 
aber nicht in Kraft getretenen®e) Gemeindeordnung vom 11. März 
1850 wird das Gemeindemitgliedschaftsrecht i.e.S. — Bürger- 
recht — nicht mehr, wie anderwärts in Deutschland und früher 
auch in Preußen, durch den konstitutiven Verwaltungsakt der 
Verleihung, sondern unmittelbar kraft Gesetzes, ohne und gegen 
den Willen des Erwerbenden und der Gemeinde von jedem er- 
worben, welcher und sobald er gewisse im Gesetz angegebene 
Eigenschaften (Staatsangehörigkeit, Selbständigkeit, Vollbesitz der 
bürgerlichen Ehre, Verfügung über ein gewisses Mindesteinkommen- 
oder -vermögen usw.) aufweist bezw. seit einer gewissen Zeit 
(Jahresfrist) besitzt. Dieses, zuerst und für einen großen Teil 
Deutschlands vorbildlich in Preußen entwickelte System des Ge- 
meindemitgliedschaftsrechts heißt das System der Einwohner- 
gemeinde] 
3. Durch die Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes und 
des Deutschen Reiches sind die Grundsätze des preußischen 
Niederlassungs- und Armenrechtes auf ganz Deutschland ausgedehnt 
worden. Das RG über die Freizügigkeit!? gewährt jedem 
Reichsangehörigen die Befugnis, innerhalb des Reichsgebietes an 
jedem Orte sich aufzuhalten oder niederzulassen, wo er eine eigene 
Wohnung oder ein Unterkommen sich zu verschaffen imstande ist, 
und an jedem Orte Grundeigentum aller Art zu erwerben. Ändrer- 
seits erklärt es die Gemeinden für berechtigt, diejenigen Personen 
welche sich in ihrem Gebiete niedergelassen haben, nach Ablauf 
von drei Monaten zu den Gemeindelasten heranzuziehen. Das 
RG über die Aufhebung der polizeilichen Beschrän- 
kungen der Eheschließung!‘ bestimmt, daß zur Verehe- 
lichung der Erwerb oder Besitz einer Gemeindeangehörigkeit nicht 
a Östl. StO $ 3, östl. LGO $ 7. 
e Oben $ 107, S. 400/401. 
f Schoen, Recht der Kommunalverbände 80 ff., Enzykl. 7. Aufl. 244 ff.; 
Jolly, Art. Gemeindemitgliedschaft in Stengels Wörterbuch (1. Aufl.); Walz, 
Bad. Staatsr. 175 ff. — Eine eigenartige Mittelstellung zwischen dem älteren 
System der geschlossenen Ortsbürgergemeinde und dem neueren der Ein- 
wohnergemeinde nimmt das „Ortsbürgerrecht“ der hess. GO vom 30. Juni 
1821 ein; näheres bei Waldecker, Das Ortsbürgerrecht in Hessen (1911). 
15 RG über die Freizügigkeit vom 1. Nov. 1867, eingeführt in Baden 
und Südhessen durch Art. 80 der Verf. vom 15. Nov. 1870, in Württember 
durch Vertr. vom 25. Nov. 1870 Art. 2, in Bayern durch RG vom 22. Aprı 
1871 in ElBaß-Lothringen durch G. vom 8. Jan. 1878. 
18 RG über die Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Ehe- 
schließung vom 4. Mai 1868, eingeführt in Baden und Südhessen durch Art. 
0 der Verf. vom 15. Nov. 1870, in Württemberg durch Vertrag vom 25. Nov. 
rt. 2.
	        
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