Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe. $ 113. 487 
und Stadtverordneten gebildeten Wahlkollegium gewählt. Die 
Wahlperiode beträgt für die Gemeindevertretung 3—6 Jahre, für 
die Bürgermeister und Magistratsmitglieder 6, 9, 12 Jahre. Be- 
soldete Berufsbeamte, insbesondere, Bürgermeister können nach 
manchen Gesetzgebungen auch auf Lebenszeit gewählt werden. 
Die Bestimmungen über das Wahlrecht und Wahlver- 
fahren sind außerordentlich verschieden. Das aktive Wahl- 
recht steht den Gemeindebürgern oder, wo ein spezifischer Unter- 
schied zwischen Gemeindebürgerrecht und Gemeindeangehörigkeit 
nicht besteht, denjenigen Gemeindeangehörigen zu, welche gewisse, 
gesetzlich vorgeschriebene Eigenschaften besitzen. Voraussetzungen 
der Ausübung des Stimmrechtes sind: männliches Geschlecht — 
doch wird bisweilen auch Bürgerwitwen und Hauseigentümerinnen 
ein Stimmrecht eingeräumt —, ein gewisses Alter, Vollbesitz der 
bürgerlichen Ehrenrechte, Selbständigkeit, Zahlung eines be- 
stimmten Steuerbetrages, in den Landgemeinden Besitz von Grund- 
stücken. Ausgeschlossen sind Personen, die sich in Konkurs oder 
unter Vormundschaft befinden oder Armenunterstützungen erhalten. 
Außer den eigentlichen Gemeindebürgern werden auch Forensen 
und juristische Personen, die in der Gemeinde ihr Domizil haben, 
zur Wahl zugelassen, bisweilen unter der Voraussetzung, daß sie 
einen bestimmten Steuerbetrag entrichten. Zum Zweck der Wahl 
werden die Wahlberechtigten häufig in Steuerklassen geteilt?°; 
außerdem kommen Abstufungen des Stimmrechtes nach Maßgabe 
der Steuerzahlung und in den Landgemeinden auch nach Art und 
Maß des Grundbesitzes vor. Das passive Wahlrecht ist an 
ähnliche Bedingungen wie das aktive geknüpft. Ausgeschlossen 
von Gemeindeämtern sind die Mitglieder der staatlichen Aufsichts- 
behörden, mitunter auch Geistliche und Lehrer, Polizeibeamte, 
Staatsanwälte usw. Die andern Staatsdiener bedürfen zur Über- 
nahme von Gemeindestellen nach einzelnen Gesetzgebungen der 
Genehmigung ihrer vorgesetzten Behörde. Nahe verwandte oder 
verschwägerte Personen sollen nicht zu gleicher Zeit Mitglieder 
des Magistrates oder Gemeinderates sein. 
Die größeren Städte sind zum Zweck der Wahlen für den 
Gemeinderat oder die Stadtverordnetenversammlung in Bezirke 
eteilt. Selbstverständlich gelten die in einem Bezirke gewählten 
itglieder nicht als Vertreter des betreffenden Bezirkes, sondern 
als Organe der gesamten Gemeinde. Die Wahlen erfolgen teils 
mit absoluter, teils mit relativer Majoritä. Die Abstimmung 
ist nach einzelnen Gemeindeordnungen Öffentlich, nach anderen 
geheim. Die Wahlprüfungen geschehen entweder durch die 
Gemeindeorgane selbst, vorbehaltlich der Nachprüfung durch 
15 So insbesondere in Preußen und Baden. In beiden Staaten (im Preußen 
jedoch mit Ausnahme von Hannover, den Städten Schleswig-Holsteins und 
rankfurts a. M.) herrscht das sog. Dreiklassensystem. Über Preußen vgl. 
E. v. Meier, Enzykl. (6. Aufl.) 705 ff.; über die neueste Gestaltung des badischen 
Gemeindewahlrechts: Walz im JahrbÖffentIR 5 518 ff., WStVR 2 91.
	        
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