438 Zweiter Teil. Zweites Buch. 3 114.
die Verwaltungsgerichte oder durch die staatlichen Aufsichts-
behörden.
In neuester Zeit ist in manchen Staaten — Bayern, Württem-
berg, Baden — für größere Gemeinden der Grundsatz der Ver-
hältniswahl eingeführt worden!®,
Nur ganz ausnahmsweise ist von dem Grundsatz der Wahl
abgegangen und die Bestellung der Gemeindebeamten staatlichen
Organen übertragen worden !’. Die Bestellung des ländlichen Ge-
meindevorstehers (Schulzen) durch die Gutsherrschaft oder die
Verbindung des Schulzenamtes mit gewissen Gütern (deren Be-
sitzer „Erb-“ oder „Lehnsschulzen“ hießen) ist durch die Gesetz-
gebung des neunzehnten Jahrhunderts völlig beseitigt worden !®.
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Die Aufsichtsbefugnisse, welche dem Staate über die
Gemeinden zustehen!, haben den Zweck, die Gemeindetätigkeit
mit den staatlichen Gesetzen und den Forderungen des Staats-
lebens im Einklang zu erhalten. Die Handhabung der staat-
lichen Aufsicht liegt in den Händen der Staatsverwaltungsbehörden.
An diese Aufsichtsbehörden gehen alle Beschwerden einzelner
gegen Beschlüsse und Verfügungen der Gemeindebehörden. Die-
selben können aber gegen gesetzwidrige Beschlüsse der Gemeinde-
organe auch von Amts wegen einschreiten, in einzelnen Gesetz-
16 Vgl. bayer. Gemeindewahlgesetz vom 15. Aug: 1908 ; württ. GO Art.
T38.; bad. GO 3 19, 46, StO 3 46. Vgl. Piloty im JahrbÖffentIR 8 475 ff,
Walz das. 5 520 ff.
1? In Frankfurt a. M. wird der erste Bürgermeister aus drei von der
Stadtverordnetenversammlung präsentierten Kandidaten vom Könige auf
12 Jahre ernannt (GVG $ 40) In der Rheinprovinz wird das Amt des Ge-
meindevorstehers jetzt durch Wahl besetzt, doch fungiert, wenn die Ge-
meinde für sich allein einen Bürgermeistereibezirk bildet, der Bürgermeister
auch als Gemeindevorsteher (KrÜO $ 23); in den Landbürgermeistereien wird
der Bürgermeister stets (vom Oberpräsidenten der betreffenden Provinz)
ernannt,
18 In den östlichen Provinzen Preußens allerdings erst durch die KrO
vom 13. Dez. 1872 88 36 ff., in Posen sogar erst durch LGO SS 82 ff.
ı Literatur: Loening, VR $$ 40, 46; Schoen, Enzykl, (7. Aufl.) 4 255 fi.;
O. Mayer, VR 2 8 59; Preuß, Städt. Amtsrecht 296 ff., Art. Bestätigung im
Handwörterb. d. Kommunalwiss.; Fleiner, Institut. (3. Aufl.) 116 ff.: Markull
im WStVR 2 155 ff.; A. W. Jebens, Verwaltungsrechtl. Aufsätze 1ff., 28 ff.:
v. Buchka, Die Staatsaufsicht über die Kommunalangelegenheiten der Städte
in Preußen, PrVBl 87 \r. 4, 5, 6.
3 [Mustergültig sind Umfang und Zweck der Staatsaufsicht über die
Gemeinden umgrenzt durch die württembergische GO von 1906, Art. 186
(übereinstimmend Bad. StO von 1910 $ 157, GO S 181): „Die... Aufsicht
der Staatsbehörden über die Gemeindeverwaltung beschränkt sich... .. darauf,
daß 1. die gesetzlich den Gemeinden zustehenden Befugnisse niclıt über-
schritten, 2. die gesetzlich den Gemeinden obliegenden öffentlichen Ver-
bindlichkeiten erfüllt und 3. die gesetzlichen Vorschriften über die Geschäfts-
führung bei der Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten ... . beobaclıtet
werden“. Ganz ähnlich auch bayer. GO Art. 157.