Die Organe. $ 115. 441
die Ausgestaltung der betreffenden Bezirke zu Kommunal-
verbänden höherer Ordnung erst auf der Gesetzgebung
des gegenwärtigen Jahrhunderts. Durch die älteren Gesetze dieser
Art, die unverkennbar unter französischem Einflusse standen ®,
wurden kommunale Vertretungen geschaffen, welche etwa die
Stellung eines französischen conseil® einnahmen. Bei der Aus-
übung der Staatsgewalt hatten sie nicht mitzuwirken, vielmehr lag
ihre Zuständigkeit ausschließlich auf kommunalem Gebiete (Ver-
waltung des Kommunalvermögens und gewisser vom Kommunal-
verbande errichteter Anstalten und Verkehrsmittel, wie Wege,
Brücken, Armen- und Krankenhäuser, Schulen, Kreditinstitute usw.).
Sie hatten außerdem die Befugnis, auf Verlangen der Staats-
regierung Gutachten über Gegenstände der Gesetzgebung und Ver-
waltung abzugeben, und konnten Petitionen und Beschwerden an
dieselbe richten. \
Erst durch die Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte des neun-
zehnten Jahrhunderts ist auch eine Umgestaltung der Staats-
verwaltung in den fraglichen Bezirken vorgenommen worden.
Während die Staatsbehörden bis dahin lediglich aus staatlichen
Berufsbeamten bestanden, sind nunmehr neue Elemente in dieselben
eingeführt worden, welche, ohne im Staatsdienst dauernd angestellt
zu sein, ihre Amter als Ehrenämter verwalten. Diese Personen
—. oft, im Gegensatz zu den Berufsbeamten, als „Laien“ be-
zeichnet — haben nicht nur bei der Vermögens- und Anstalts-
verwaltung, sondern auch bei der Ausübung obrigkeitlicher Funk-
tionen, namentlich bei der Polizei, der Verwaltungsgerichtsbarkeit
und der Kommunalaufsicht mitzuwirken [Einrichtungen, welche
die Beteiligung von Laien bei der Staatsverwaltung vermitteln
sollten, sind, im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der
olitischen Bewegung des Jahres 1848, zuerst in einigen kleinen
taaten — Hessen, Nassau, Sachsen-Weimar* — ins Leben ge-
rufen worden. Von größerer Bedeutung war die gleichgerichtete
preußische Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung vom
11. März 1850° mit ihren Kreisversammlungen, Kreisausschüssen
und Bezirksräten, ein Gesetz, welches freilich nicht in Kraft trat,
vielmehr vor Inangriffnahme seiner Ausführung wieder aufgehoben
wurde®,. Mit dauernder Wirksamkeit wurden die Grundgedanken
22; en ntterlin, Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg 1
® (Vgl. insbesondere die aus der Zeit von 1819—1828 stammenden
bayerischen Gesetze über Kreisvertretungen. Die Vorbildlichkeit des franzö-
sischen Rechts bezeugt v. Seydel-Piloty bayerisches Staatsrecht 1 647 ff.
Dagegen kann von einem Einfluß Frankreichs auf die preußische Gesetz-
gebung von 1823—1328 (unten S. 444) über Kreis- und Provinzialstände keine
ede sein.
a Oben S. 390.
* Oben S. 400,
® Oben S. 401.
8 Oben S. 401; unten S. 445.