Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

449 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 115. 
der preußischen Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung im Groß- 
herzogtum Baden durch das dortige Reorganisationsgesetz vom 
5. Oktober 1863” und dann in Preußen selbst durch die Ver- 
waltungsreform der siebziger und achtziger Jahre des neunzehnten 
Jahrhunderts® ein- und durchgeführt]. Unter dem Einfluß der 
preußischen Reformbestrebungen stehen die Einrichtungen, welche 
ım Königreich Sachsen, im Großherzogtum Hessen und im Herzog- 
tum Braunschweig geschaffen worden sind. 
II. Die heutige Verwaltungsorganisation der Be- 
zirke, Kreise und Provinzen weist in den einzelnen deutschen 
Staaten erhebliche Verschiedenheiten auf. 
1. Die betreffenden Sprengel sind entweder reine Staats- 
verwaltungsbezirke oder zugleich als Selbstverwaltungs- 
körper gestaltet. In letzterem Falle haben sie eine eigene kom- 
munale Organisation und besitzen eigenes Vermögen sowie Be- 
fugnisse auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes, wie ihnen auch 
öffentlichrechtliche Verpflichtungen obliegen, deren Erfüllung durch 
eine vom Staate gehandhabte Aufsicht gesichert wird. 
2. Die Ausübung der obrigkeitlichen Befugnisse 
gilt als Sache des Staates. Die Organisation der Staats- 
behörden ist verschieden gestaltet. Dieselben haben teils eine 
kollegialische, teils eine monokratische (bureaumäßige) Verfassung. 
Sie bestehen entweder lediglich aus staatlichen Berufsbeamten 
oder sind aus solchen und Männern ohne Beamteneigenschaft, 
die ihren Dienst unentgeltlich versehen, zusammengesetzt. Letztere 
gehen in der Regel aus Wahlen der kommunalen Vertretungen 
hervor, doch kommen auch andere Formen der Bestellung 
(Ernennung durch die Staatsregierung aus einer Vorschlags- 
liste, Wahl durch die für die Landtagswahlen gewählten Wahl- 
männer) vor. 
3. Die Verwaltung des Vermögens und der Anstalten 
der Kommunalverbände liegt in den Händen der kommu- 
nalen Vertretungen und Ausschüsse. Die Mitglieder derselben sind 
Elemente der Selbstverwaltung; ihre Amter haben den Charakter 
von Ehrenämtern. Bei der Verwaltung sehr großer Vermögens- 
komplexe werden von dem Kommunalverbande einzelne besoldete 
Berufsbeamte verwendet®. 
Bei der Verschiedenheit, welche die deutschen Staaten so- 
wohl hinsichtlich ihrer Größe und infolgedessen hinsichtlich ihrer 
Verwaltungseinteilung, als auch hinsichtlich ihrer Verwaltungs- 
organisation aufweisen, l4ßt sich eine zusammenfassende Dar- 
’ Oben S. 401. 
8 So werden z. B. die laufenden Geschäfte der Provinzialkommunal- 
verwaltung in Preußen ausschließlich durch besoldete Berufsbeamte 
im Dienste des Provinzialverbandes geführt: an der Spitze dieser 
Deamtenschaft steht der Landeshauptmann (Landesdirektor); vgl. unten
	        
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