Die Organe. 8 116. 445
später provinzialständische Ausschüsse geschaffen®. Auch die Kreis-
stände waren ständisch: in Rittergutsbesitzer (mit Virilstimmen),
Deputierte der Städte und Landgemeinden gegliedert. Sie be-
saßen ausschließlich beratende und vermögensverwaltende Funk-
tionen.
Eine tiefgreifende Umgestaltung dieser Verhältnisse wurde
durch die Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung vom
1l. März 1850 vorgenommen. Diese beseitigte die ständische
Gliederung der. kommunalen Vertretungskörper (Kreis- und
Provinzialversammlungen), beschränkte aber die Funktionen der-
selben ebenfalls auf Beratung und Vermögensverwaltung. Sie
wurde jedoch schon bald nach ihrem Erlasse wieder aufgehoben 7
und ist praktisch niemals in Wirksamkeit getreten. So blieb die
auf der Gesetzgebung von 1808—1823—1828 beruhende Behörden-
und Kommunalorganisation des preußischen Staates weiter be-
stehen. Die Behördenorganisation wurde auch in den neu er-
worbenen Landesteilen eingeführt, sowohl in den hohenzollernschen
Fürstentümern®, als in den im Jahre 1866 mit Preußen ver-
einigten Ländern, während die kommunale Organisation von Kreis
und Provinz dort alsbald nach der Annexion neu und selbständig
geregelt wurde®.
Eine durchgreifende Reorganisation im Sinne einer Beteiligung
unbeamteter Elemente bei der Ausübung der Staatsgewalt hat
erst die neue& preußische Verwaltungsreform gebracht.
Diese begann im Jahre 1872 mit einer Reform der Kreis-
verfassung, sowie der Polizei- und Kommunalorganisation des
6 Gesetze für die einzelnen Provinzen vom 21. Juni 1842.
? G. vom 24. Mai 1853. S. oben $8$ 110 Anm. 15 und 115 Anm. 6.
8 V. vom 7. Januar 1852 und 18. Januar 1854.
® Die Behördenorganisation wurde „ger elt für Hannover durch V.
vom 8. April 1867 und 5. April 1869, für Hessen-Nassau durch V. vom
22. Febr., 24. Juni und 9. Sept. 1867 und 7. Dez. 1868, für Schleswig-Holstein
durch V. vom 22. Dept. 1867 und 20. Juni 1868, die provinzial- bezw. kom-
munalständische Verfassung für Hannover durch V. vom 22. Aug. 1867,
für den Regierungsbezirk Kassel durch V. vom 20. Sept. 1867 für Schleswig-
Holstein durch V. vom 22. Sept. 1867, für den Regierungsbezirk Wiesbaden
durch V. vom 26. Sept. 1867, die Kreisverfassung für Hannover durch V.
vom 12. Sept. 1867, für den Regierungsbezirk Kassel durch V. vom 9. Sept.
1867, für Schleswig-Holstein duıch V. vom 22, Sept..1867, für den Regierungs-
bezirk Wiesbaden durch V. vom 26. Sept. 1867. In Lauenburg war schon
durch G., betr. die anderweite Einrichtung der Staatsverwaltungsbehörden,
vom 7. Dez. 1872 ein Landratsamt für das ganze Land errichtet, welchem
die Funktionen der ehemaligen Landesregierung übertragen wurden. Durch
G. vom 23. Juni 1876 wurde das Land als Kreis „Herzogtum Lauenburg“
der Provinz Schleswig-Holstein einverleibt. Zur Provinz Hannover gehört
nach dem G. vom 13. Dez. 1873 auch das Jahdegebiet. Näheres über die
Verwaltungsorganisation in den neuen Provinzen vgl. Bornhak a.a.O. 483 £f.,
E. v. Meier, Enzykl. 677 ff.
& „Neu“ im Gegensatz zu der ersten, älteren Verwaltungsreform des
neunzehnten Jahrhunderts, d. h. der Stein-Hardenbergschen Reform (oben
‚ 2W).
G. Meyer-Anschütz, Deutsches Staatsrecht. II. 7. Aufl. og