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alter den Gemeinden vielfach auch das Recht der Gesetzgebung
und die Justiz zustand. Im modernen: Staat werden dagegen
Gesetzgebung und Justiz als spezifische Funktionen des Staates
angesehen. Nun gibt es jedoch einzelne Verbände, welche zwar
Bestandteile eines Staates sind, aber Organe besitzen, die zur
Mitwirkung an der Gesetzgebung, also zur Ausübung staatlicher
Befugnisse berufen werden. Beispiele dafür sind die österreichischen
Kronländer® und das Reichsland Elsaß-Lothringen. Auf diese
Gebiete würde, da sie als Glieder eines Staates erscheinen, die
Bezeichnung „Provinz“ noch angewendet werden können, wobei
jedoch nicht verkannt werden .darf, daß ihre Rechtsstellung eine
wesentlich andere ist als die solcher Provinzen, deren Organe
lediglich kommunale Tätigkeiten ausüben, z. B. der preußischen,
niederländischen, belgischen Provinzen.
Der Herrschaft des Staates können aber außerdem auch Ge-
bietsteile unterworfen sein, welche dem Staate nicht in der Weise
einverleibt sind, daß sie als Bestandteile desselben erscheinen
sondern ein eigenes vom Staate getrenntes Gebiet und:
eigene Angehörige besitzen. Diese haben nicht den Charakter
von Provinzen, sondern den von Nebenländern. Zu ihnen ge-
hören namentlich die auswärtigen Kolonien und Schutzgebiete
europäischer Mächte, sowie abgetretene Gebietsteile, ehe deren
Einverleibung vollzogen ist. Derartige Gebiete können entweder
lediglich von Staatsorganen beherrscht werden oder eine eigene
Verfassung besitzen, kraft deren die aus ihnen hervorgehenden
Organe zur Ausübung staatlicher Funktionen, jedoch in Unter-
ordnung unter den Staat berufen werden. Letzteres ist nament-
lich bei gewissen englischen Kolonien (Kanada, Kapland, Austra-
lien) der Fall*.
Die Herrschaft des Staates über alle ihm untergeordneten Ver-
bände ist eine unbeschränkte. Der Staat allein hat zu be-
stimmen, welche Angelegenheiten er ihnen zur Erledigung über-
lassen will. Er besitzt die Befugnis, durch seine Gesetze die
Organisation derselben zu regeln.
3 Jellinek, Staatsl. 650 f.
* Mit denjenigen Gebieten, welche entweder Organe besitzen, die zur
Ausübung staatlicher Funktionen berufen werden oder der Herrschaft eines
Staates unterworfen sind, ohne Bestandteile desselben zu seiu, beschäftigt
sich die Abhandlung von Jellinek über Staatsfragmente (Heidelberger Fest-
gabe) 259 ff. Der Verfasser führt daselbst aus, daß die betreffenden Gebilde
zwar nicht Staaten sind, aber doch gewisse Elemente des Staates besitzen.
Als gemeinsamen Terminus dafür bringt er den Ausdruck „Land“ in Vor-
schlag (a a. 0.300). Weitergeführt und ausgebaut ist diese Theorie in dem
Dezentralisation durch Länder“ betitelten Abschnitt der Jellinekschen Allg.
Staatsl. 647 ff. Über und teilweise gegen die Theorie Jellineks von „Stauts-
fragment“ und „Land“: Rehm, Staatsl. 169 ff.