Die Organe. $ 120. 475
Der Gedanke, daß die Gesamtheit der Einzelstaaten, jeder
voll repräsentiert durch seine Regierung, — daß also der Inbegriff
der „verbündeten Regierungen“ Träger der Reichsgewalt sei, ist
bei Beratung der norddeutschen Bundesverfassung von autoritativer
Seite mit Entschiedenheit hervorgehoben worden®. Auch in den
* Von dem Vorsitzenden der Bundeskommissarien, Grafen von Bismarck.
Zuerst bemerkte dieser gegenüber dem Antrag auf Einsetzung eines ver-
entwortlichan Bundesministeriums folgendes (Sten. Ber. S. 136): „Wer sollte
dieses Ministerium ernennen? Einem Konsortium von 22 Regierungen ist
diese Aufgabe nicht zuzumuten; es würde sie nicht erfüllen können. Aus-
schließen können Sie aber 21 von 22 Regierungen von der Teilnahme an
der Exekutive ebensowenig. Es wäre der Anforderung nur dadurch zu ge-
nügen gewesen, daß eine einheitliche Spitze mit monarchischem Charakter
geschaffen wäre. Dann aber, meıne Heıren, haben Sie kein Bundes-
verhältnis mehr, dann haben Sie eine Mediatisierung derer,
denen die monarchische Gewalt nicht übertragen wird, Diese
Mediatisierung ist von unseren Bundesgenossen weder bewilligt noch von
uns erstrebt worden. Es ist hier angedeutet worden, man könne sie mit
Gewalt erzwingen; von anderen: sie werde sich zum Teil von selbst ergeben,
und letzteres von einer mir nahestehenden Seite. Wir erwarten dies nicht
in dem Maße und glauben nicht, daß deutsche Fürsten in größerer Anzahl
bereit sein werden, ihre jetzige Stellung mit der einesenglischen
Pairs zu vertauschen. ir haben ihnen diese Zumutung niemals ge-
macht und beabsichtigen nicht, sie ihnen zu machen.“ Ferner sagt er bei
Gelegenheit der Debatte über Bennigsens Amendement, das auf die Ein-
setzung verantwortlicher Vorstände der einzelnen Verwaltungszweige neben
dem Bundeskanzler gerichtet war (Sten. Ber. S. 388): „Sie schaffen eine den
Ministern und höchsten Regierungen der einzelnen Bundesländer vorgesetzte
Spitze außerhalb des Bundesrates, Innerhalb des Bundesrates findet
die Souveränität einer jeden Regierung ihren unbestrittenen
Ausdruck. Dort hat jede ihren Anteil an der Ernennung des gewisser-
maßen gemeinschaftlichen Ministeriums, welches neben anderen Funktionen
auch der Bundesrat bildet. Dieses Gefühl der unverletzten Sou-
veränität, welches dort seine Anerkennung findet, kann nicht mehr
bestehen neben einerkontrasignierenden Bundesbehörde, die
außerhalb des Bundesrates aus preußischen oder anderen Be-
amten ernannt wirdundesistundbleibteinecapitis deminutio
für die höchsten Behörden der übrigen Regierungen, wenn sie
sich als Organs, gehorsamleistende Organe einer vom Präsi-
dium außerhalb des Bundesrates ernannten höchsten Behörde
in Zukunft ansehen sollten. Glauben Sie nicht, daß wir diese Frage
nicht erwogen haben, ob die übrigen Regierungen diesen Anflug von einer
Verminderung ihrer Souveränität auf sich nehmen wollen. Wir haben über
die Frage, ob die Ministerien der Einzelstaaten, namentlich die Kriegs- und
Finanzministerien -usw., bleiben würden, wochenlang verhandelt. nsere
Arbeit ist keine leichte gewesen, und Sie können ermessen, mit welchem
Eindruck wir nach unseren schweren und erschöpfenden Aıbeiten hier Amende-
ments hören, die von allem, was wir getan und geleistet haben, ab-
strahieren, von dem in der Geschichte unerhörten Fall, daß die Regierungen
von 80 Millionen Deutschen sich nicht bloß dem Wortlaute nach, wie bei
der alten Bundesakte, sondern auch dem Geiste nach über einen solchen
Entwurf geeinigt haben, keine Notiz nehmen.“ Endlich äußert er sich über
den Antrag auf Einsetzung eines Oberhauses folgendermaßen (Sten. Ber.
S.430): „Es ist mir an und für sich nicht leicht, mır ein deutsches Oberhaus
zu denken, das man einschieben könnte zwischen den Bundesrat, der,
ich wiederhole es, vollkommen unentbehrlich ist als diejenige
Stelle, in der die Souveränität der Einzelstaaten fortfährt,