476 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 120.
späteren Entwicklungsstadien hat derselbe Gedanke zu wieder-
holten Malen Ausdruck gefunden®,.
ihren Ausdruck zu finden — das man also einschieben könnte zwischen
diesen Bundesrat und diesen Reichstag, ein Mittelglied, welches dem Reichs-
tage in seiner Bedeutnng auf der sozialen Stufenleiter einigermaßen über-
legen wäre und dem Bundesrate und dessen ‚‚ollmachtgebern hinreichend
nachstände, um diese Klassifikation zu rechtfertigen. ir würden in der
Versammlung nichtsouveräne Pairs, Mitglieder haben, die ihrerseits geneigt
sind zu rivalisieren mit den mindermächtigen Souveränen in ihrer sozialen
Stellung. Der Bundesrat repräsentiert bis zu einem gewissen
Grade ein Oberhaus, in welchem Se. Majestät von Preußen
rimus inter pares ist und in welchem derjenige Überrest des
ohen deutschen Adels, der seine Landeshoheit bewahrt hat,
seinen Platz findet. Dieses Oberhaus nun dadurch zu vervollständigen,
daß man ihm nichtsouveräne Mitglieder beifügt, halte ich praktisch für zu
schwierig, um die Ausführung zu versuchen. Dieses souveräne Ober-
haus aber inseinen Bestandteilensoweitherabzudrücken, daß
es einer Pairskammer ähnlich würde, die von unten vervoll-
ständigt werden könnte, halte ich für unmöglich, und ich würde
niemals wagen, das einem Herrn gegenüber, wie der König von Sachsen ist,
auch nur anzudeuten. [Über Bismarcks Ansichten vom Wesen und der
Verfassung des Reichs vgl. Anschütz, Bismarck und die Reichsverfassung
20 ff, 25fl., v. Roell und Epstein, Bismarcks Staatsrecht 110 ff.]
5 In dem Schreiben des Königs von Bayern, welches Prinz Luitpold
am 93. Dez. 1870 dem Könige von Preußen überreichte, heißt es folgender-
maßen: „Ich habe mich zu deren (der Präsidialrechte) Vereinigung in einer
Hand in deı Überzeugung bereit erklärt, daß dadurch den Gesamtinteressen
des deutschen Vaterlandes und seiner verbündeten Fürsten entsprochen
werde, zugleich aber in dem Vertrauen, daß die dem Bundespräsidium nach
der Verfassung zustehenden Rechte durch Wiederherstellung eines Deutschen
Reiches und der deutschen Kaiserwürde als Rechte bezeichnet werden,
welche Eure Majestät im Namen des gesamten deutschen Vater-
landes auf Grund der Einigung seiner Fürsten ausüben.“ Auch
Fürst v. Bismarck hat nach Annahme des Kaisertitels seine früher aus-
gesprochene Ansicht mit großer Entschiedenheit aufrecht erhalten. „Ich
glaube,“ sagt er, „daß der Bundesrat eine große Zukunft hat, indem er zum
erstenmal den Versuch macht der monarchischen Spitze, ohne die Wohl-
taten der monarchischen Gewalt — oder der hergebrachten republikanischen
Obrigkeit — dem Einzelstaat zu nehmen, und in seiner höchsten Spitze ala
föderatives Kollegium sich einigt, um die Souveränität des gesamten
Reiches zu üben, denn die Souveränität ruht nicht beim Kaiser,
sie ruht bei der Gesamtheit der verbündeten Regierungen“
(ten, Ber. des Deutschen Reichstages I. Legislaturper. 1. Sitzungsper. 1871
3. 298 u. 299). In demselben Sinne äußerte er sich in der Reichstagssitzun
vom 9. Juli 1879: Können nun die verbündeten Regierungen gegen sic
selbst den Verdacht hegen, daß sie ihren Bundespflichten gegen das Reich
nicht nachkämen? — gegen das Reich, was wiederum genau dasselbe ist
wie die Gesamtheit der verbündeten Regierungen: diese sınd das Reich und
das Reich besteht aus den gesamten verbündeten Regierungen (Sten. Ber,
IV. Legislaturper. 2. Sess. 1879, Bd. III S. 2197). [Weiterhin: Reichstags-
sitzung vom 27. März 1879 (Sten. Ber. S. 669): der Bundesrat sei „die Ge-
samtvertretung des wirklichen Souveräns im Bunde“; Gedanken und
Erinnerungen II S. 190; „der Bundesrat repräsentiert die Gesamt-Souveräni-
tät von Deutschland.“ Noch andere einschlägige Außerungen Bismarcks
vgl. bei Anschütz, Bismarck und die Reichsverfassung, 28 ff., Kuhlenbeck,
Dito Y Bismarck; Reden und Aussprüche zur deutschen Reichsverfassung,
5 fl.