Die Organe. $ 121. 477
& 121.
[Die Organe des Reiches sind:
1. der Bundesrat. Er „besteht aus den Vertretern der
Mitglieder des Bundes“ (RV Art. 6), d. h. der deutschen Staaten,
repräsentiert durch ihre Regierungen. Er verkörpert also die
Staatengesamtheit!, den Träger der Reichsgewalt?.,
2. der Kaiser. Er erscheint nicht als Monarch oder
Souverän des Reiches, sondern als ein bevorrechtetes Mitglied,
welchem ein ideeller Anteil an der Reichsgewalt zusteht, als
Inhaber einer exekutivischen und repräsentativen ÖOrganschaft
eigener Art, die zwar weit mehr bedeutet als jede Art von
Beamtentum, aber weniger als Monarchie®, Er übt die ihm
übertragenen Befugnisse nicht im eigenen Namen, auch nicht
im on Preußens, sondern im Namen des Reiches
ausa],
ı Vgl. $ 120 und die Zitate Anm. 1 und 2 daselbst.
% Über den rechtlichen Charakter des Bundesrates vgl. auch: Ent-
scheidungen des Reichsgerichtes in Strafsachen 7 382 ff.
® Laband, StR des Deutschen Reiches 1 211 ff.; -Seydel, Kommentar 126;
Zorn, a.2.0.91. Die Bezeichnung des Kaisers als staatsrechtlichen Hauptes
des deutschen Volkes (Gierke in Schmollers Jahrb. 7 1137) ist ohne juristi-
sche Bedeutung, ebenso die Behauptung Bornhaks (ArchÖffR 29, 10),
das Kaisertum sei auf dem Wege der Entwicklung vom Bundespräsidium
zur Souveränetät begriffen. Später hat Bornhak, Die verfassungsrechtliche
Stellung des deutschen Kaisers, ArchÜffR 8 425ff., die Ansicht auf-
gestellt, der Kaiser nei Monarch zwar nicht im Sinne des deutschen Landes-
staatsrechtes, wohl aber im Sinne der auf dem Prinzip der Volkssouveräne-
tät und den Grundsätzen parlamentarischer Regierung beruhenden Ver-
fassungen. Der Kaiser besitzt aber im Reiche bei weitem nicht die Befug-
nisse, welche nach derartigen Verfassungen, z. B. der belgischen, dem
Monarchen zustehen; es fehlt ihm namentlich die entscheidende Stimme, ja
auch ein nur suspensives Veto bei der Gesetzgebung. Von einer monarchi-
schen Stellung des Kaisers spricht auch Preuß, Zeitschrift für die gesamte
Staatswissenschaft 4ö 442, 448. [Gegen die Berechtigung, die staats-
rechtliche Stellung des Kaisers als eine monarchische zu bezeichnen, wenden
sich noch: Loening a. a. O. 53, Binding a, a. O. 24 ff., Anschütz, Bismarck
und die Reichsverfassung 32 und Enzykl. 104, 105. Zweifelnd, aber der Be-
jahung des monarchischen Charakters des Kaisertums zuneigend: v. Jage-
mann, a. a. O. 101, 102.
& RV Art.17. „Im Namen des Reichs“ heißt: es steht niemand zwischen
Kaiser und Reich, das kaiserliche Amt ist eine unmittelbare Reichs-
organschaft. Der Kaiser hat kein noch höheres Organ über sich, er ist
keines anderen Organes Delegatar, auch nicht Delegatar des Trägers der
Reichsgewalt, der „verbündeten Regierungen“, Allerdings übt er, wenn er
seines Amtes waltet, kein ihm eigenes, sondern fremdes Recht aus (wie der
Monarch im Einzelstaate, s. 0. $ 84 S. 272), aber dieses Recht gehört dem
Reiche, d.h. der nationalen korporativen Staatspersönlichkeit, dem („gesamten
deutschen Vaterlande“ im Sinne des oben $ 120 N. 5 erwähnten Schreibens
des Königs von Bayern) nicht einer von dieser verschiedenen Organpersönlich-
keit, insbesondere nicht dem Träger der Reichsgewalt (der Staatengesamt-
heit, verkörpert im Bundesrat, 8.0. $ 120). Das „im Namen des Reichs“ be-
deutet nicht „im Namen der verbündeten Regierungen“; der Kaiser ist un-
mittelbarer Repräsentant des Reichs (hierin einem Monarchen gleichend),
G. Meyer-Anschütz, Deutsches Staatsrecht,. II. 7. Aufl. 31