Die Organe. $ 14. 489
ohne weiteres, sondern nur dann zu, wenn der Vorsitz ihm gemäß
Art.15 Abs.2 RV vom Reichskanzler durch Substitutionsvollmacht
für den einzelnen Fall oder ein für allemal übertragen worden ist«.]
Der Reichskanzler kann sich außerdem im Vorsitz durch jedes
andere Mitglied des Bundesrates vermöge schriftlicher Substitution
vertreten lassen®. Im Fall der Verhinderung Preußens ist es als
ein Recht der bayerischen Regierung anerkannt, daß ihr Ver-
treter den Vorsitz im Bundesrate führt?®. Der bayerische Vorsitz
soll nicht etwa schon eintreten, wenn nur der Reichskanzler ver-
hindert, sondern erst dann, wenn Preußen, d.h. wenn jedes
der preußischen Bundesratsmitgliederd verhindert ist. Die Be-
deutung der Bestimmung liegt darin, daß der Reichskanzler, wern
er sich nicht einen preußischen Bevollmächtigten substituiert, den
Vorsitz nur einem bayerischen Bevollmächtigten, nicht dem eines
anderen Staates, übertragen darf!?,
Anträge können ım Bundesrate von den Mitgliedern des
Bundes, also von den Einzelstaaten durch ihre Bevollmächtigten
eingebracht werden. [Durch das Gesetz vom 31. Mai 1911 (oben
484) ist das Recht der Stellung von Anträgen im Bundesrate auch
dem Reichslande Elsaß-Lothringen verliehen worden. Das Präsi-
dium ist verpflichtet, die Anträge der Staaten und Elsaß-Loth-
ringens der Beratung zu übergeben. Ihm selbst — d. h. dem
c Denn das G., betr. die Stellvertretung des Reichskanzlers vom 17. März
1878 (vgl. unten $135a), bezieht sich nur auf die Geschäfte des Reichskanzlers
als Minister des Kaisers (RV Art. 17), nicht auf die als Vorsitzenden des
Bundesrats (Art. 15); diese letztere Seite des Amtes des Reichskanzlers hat
das Mtellvertretungsgenetz, wie es selbst — $4 — sagt, nicht berührt, Wie
der Text: Zorn, StR 1 162, Seydel, Komm. 170; a. M. die Voraufl. 434,
462 sowie Laband, 1 279, 280, Hensel, a. a. O. 59, Dambitsch, RV 323, 374,
Rosenthal, Reichsregierung 36. Smend, AnnDR 1906 329 läßt die Frage un-
entschieden. — Die Übertragung des Vorsitzes an den Generalstellvertreter
setzt natürlich, nach Art. 15 Abs. 2, voraus, daß dieser selbst Mitglied des
Bundesrates ist, was an und für sich nicht der Fall zu sein braucht (vgl.
unten 1732).
8 RV Art. 15. Abs. 2; RG., betr. die Stellvertretung des Reichskanzlers
vom 17. März 18788 4.
% Schlußprot. vom 24. Nov. 1870 Nr. IX. [Auch der bayerische Bundes-
ratsbevollmächtigte bedarf, um den Vorsitz führen zu können, der schrift-
lichen Substitutionsvollmacht des Reichskanzlers. A.M. Seydel, Komm. 169,
der behauptet, daß, wenn der Reichskanzler verhindert und ein formgerecht
gubstituierter preußischer Bevollmächtigter nicht anwesend ist, der Vorsitz
ipso jure auf den Vertreter Bayerns übergehe. Dagegen zutreffend Smend,
nnDR 1906 327 N. 1.
d Es ist jedoch, wie v. Jagemann, RV 84 aus der Praxis berichtet,
üblich, dem bayerischen Bevollmächtigten den Vorsitz schon dann zu über-
tragen, wenn der Reichskanzler und sein nächster Stellvertreter (herkömm-
lich der Staatssekretär des Innern) verhindert sind.
10 Thudichum im JbDR a. a. 0. 26 N. 2; Seydel, Komm. zu Art, 15,
im Jahrb. 294; Laband, StR 1 279, Kl.A. 70; v. Rönne, StR des Deutschen
Reiches 1 $ 22 S. 207; H. Schulze, Lehrbuch des deutschen StR 2
8 258 5 0 Proebst a.a.0. Art. 15 Nr. 4; Kittel, Die bayerischen Reservat-
rechte 49,