Die Organe. $ 128. 501
regierungsunfähigen König zusteht, auch die kaiserlichen Regierungs-
funktionen vertretungsweise wahrzunehmen hat ”.]
Besondere Ehrenrechte sind dem Kaiser nur in geringem
Umfange beigelegt worden, da er sich bereits als König von
Preußen im Besitze aller Ehrenrechte des Monarchen eines Groß-
staates befindet. Als kaiserliche Ehrenrechte verdienen genannt
zu werden: 1. der kaiserliche Titelx, 2. das kaiserliche Wappen
und die kaiserliche Standartey. Ebensowenig sind dem Deutschen
Kaiser spezielle Vermögensrechte, z. B. der Bezug einer
Zivilliste eingeräumt worden. Im Reichshaushaltsetat wird alljähr-
lich dem Kaiser ein Dispositionsfonds zur Verfügung gestellt,
welcher indessen nicht für persönliche oder Hofhaltungsbedürfnisse
bestimmt ist.
Dem Kaiser ist ein besonderer strafrechtlicher Schutz
eingeräumt. Angriffe gegen seine Person und Beleidigung der-
selben werden ebenso bestraft wie gleiche gegen den Landes-
herrn des Staates, dem der Täter angehört oder in dessen Ge-
biet er sich aufhält, gerichtete Handlungen 2,
4. Der Beichstag’.
& 128.
[Während das, was im alten Deutschen Reiche „Reichstag“
hieß, heute im Bundesrate fortlebta, ist der alte Name jetzt (wie
schon in der Frankfurter Reichsverfassung von 1849) übertragen
auf eine Einrichtung, welche das alte Reich nicht kannte noch
kennen konnte, weil es die Neuzeit, deren Geist diese Einrichtung
atmet, nicht mehr gesehen hat. In diesem Stücke seiner Ver-
fassung vornehmlich zeigt das neue Reich sich als konstitutioneller
Staat. Der Reichstag ist eine Volksvertretung im Sinne
des konstitutionellen Staatsrechtsb: die parlamentarische
w Vgl. AHE vom 4, Juni und 5. Dez. 1878, RGBl 101, 368, preuß. GS
253, 915; 27. Mai 1910, RGBI 791, preuß. GS 69.
x Über den Charakter desselben vgl. Laband, StR 1 224 ff. Über die
Vorgänge und maßgebenden politischen Absichten bei der Einfü des
Kaisertitels: Bismarck, Gedanken und Erinn. 2 115fl., vgl. auch oben 497.
y AHE vom 3, Aug. 1871. Vgl. die Berichtigung RGBl 1871 458.
z RStGB 85 80, 94, 95.
1 Vgl. außer den auf den Reichstag bezüglichen Teilen der syste-
matischen Werke (Laband, Zorn, Schulze, v. Roenne, Arndt) v. Seydel,
Komm. 190 ff., derselbe, Der deutsche Reichstag in AnnDR 1880 352 ff.;.
Zorn, Art. „Reichstag“ in v. Holtzendorffs Rechtslexikon Bd. III 409 ff., Rehm,
Art. Reichstag im WStVR; Loening, Grundzüge 75ff.; Anschütz, Enzykl.
106 ff.; Hatschek, Das Parlamentsrecht des Deutschen Reiches, im Auftrage
des Deutschen Reichstags dargestellt, 1. Teil 1915.
a Vgl oben $ 122 .8. Anschütz, Enzykl. 95, 106.
db Die RV drückt dies mit einem für alle modernen Verfassungsurkunden
typischen Satze aus (Art. 29): „Die Mitglieder des Reichstags sind Vertreter
es gesamten Volkes. und an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden.“