Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe. $ 12%. 505 
4. Personen, welchen die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen 
sind, für die Zeit der Entziehung?. 
Nach dem RWG soll, wenn die Entziehung der staatsbürger- 
lichen Rechte wegen politischer Verbrechen oder Vergehen er- 
folgt ist, die Berechtigung zum Wählen wieder eintreten, sobald 
die außerdem erkannte Strafe vollstreckt oder durch Begnadigung 
erlassen ist. Diese Bestimmung hat nur Bedeutung für Bestrafungen, 
welche unter der Herrschaft der früheren Landesstrafgesetzbücher, 
dagegen nicht für solche, welche unter der Herrschaft des Reichs- 
strafgesetzbuches erfolgt sind, da dieses eine Entziehung der bürger- 
lichen Ehrenrechte bei politischen Verbrechen oder Vergehen über- 
haupt nicht kennt. 
Das Wahlrecht ist nicht ausgeschlossen, sondern ruht, d.h. 
seine Ausübung ist suspendiert bei Personen des Soldatenstandes 
des Heeres und der Marine. solange als dieselben sich bei der 
Fahne befinden. Ihnen stehen gleich diejenigen Personen, welche 
zwar Reichsangehörigkeit besitzen, aber keinen Wohnsitz im Reichs- 
gebiet haben, und diejenigen Personen, welche irrtümlicherweise 
nicht in die Wahllisten eingetragen sind. 
Wählbar ist jeder, der das aktive Wahlrecht besitzt und 
einem deutschen Staate seit mindestens einem Jahre angehört. 
Wählbar sind also auch diejenigen Personen, deren Wahlrecht zur 
Zeit ruht. 
Wählbar sind auch die Mitglieder des Bundesrates; 
sie können jedoch die Wahl in rechtswirksamer Weise nur an- 
nehmen, wenn sie vor der Annahme aus dem Bundesrate aus- 
geschieden sind, da niemand gleichzeitig Mitglied des Bundesrates 
und des Reichstages sein kann, 
a StGB 88 32-37. 
ft Vgl. Hatschek a. a. O. 279 ff. 
g Dies bezieht sich auch auf die stellvertretenden Bevollmächtigten 
zum Bundesrat, denn diese teilen die rechtliche Stellung der Hauptbevoll- 
möchtigten (oben $ 123 Anm. d), sowie auf den Reichskanzler, denn er ist 
kraft Gesetzes (RV Art. 15) Vorsitzender und Mitglied des Bundesrates. 
Art.9 RV verneint nicht die Wählbarkeit der Bundesratsmitglieder, sondern 
die Vereinbarkeit der Eigenschaften als Bundesrats- und als Reichstagsmit- 
glied. Hierüber besteht kein Streit; vgl. statt vieler Laband 1315. Stimmen, 
ie bei einer Reichstagswahl für Bundesratsmitglieder abgegeben werden, 
sind also nicht ungültig, sondern gültig (a.M., aber nur vorü ergehend, die 
Wahlprüfungskommission des Reichstags, vgl. Dambitsch, RV 264). Das 
Gleiche muß auch für die Vollmachtgeber bezw. Dienstherren der Bundes- 
ratsmitglieder, die deutschen Landesherren gelten. Ein positiver Rechtssatz, 
der den Landesherren die Wählbarkeit zum Reichstage abspricht, besteht 
nicht. Aus Art. 9 folgt zuungunsten der Wählbarkeit nichts, höchstenfalls 
(wenn man diesen Art. überhaupt von den Bevollmächtigten auf die Voll- 
machtgeber ausdehnen will) nur die Unvereinbarkeit von Monarchen- und 
Abgeordnetenqualität. Abweichend die herrschende Meinung (Laband 1315, 
316, Zorn, StR 1 220, Seydel, AnnDR a. a. (0). 358, 359, Schulze, Deutsches 
StR 2 77, Arndt, RStR 120) und mit ihr die Voraufl. (444): „Die Landes- 
herren sind nicht wählbar.“ Begründet wird diese Ansicht entweder über-
	        
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